Wenn schon Isolation, dann richtig.
Anstatt Anfang Dezember 2020 nach Deutschland zurückzukehren, wo der Lockdown droht, bezieht Jörg Dauscher eine abgelegene Blockhütte im kosovarischen Hochland, in den sogenannten Verfluchten Bergen. Doch fürs kontemplative Schreiben ist zunächst wenig Zeit: Als blutiger Hüttenanfänger muss der Autor erst einmal lernen, wie man mit der Axt umgeht, wie man Tierspuren liest und welche Gefahren beim Wandern im Schnee drohen. Er erkundet die raue Berglandschaft und lotet dabei sein Verhältnis zur Natur aus, als ihn dieselbe mit einem extremen Wetterumsturz überrascht: Über Nacht fällt so viel Schnee, dass er von der Außenwelt abgeschnitten ist. Zu seinem eigenen Erstaunen fallen die Einschränkungen auf einmal leicht, die anfängliche Panik weicht einem Gefühl von Ruhe, Klarheit und Orientierung. Dauscher nimmt den Leser mit auf seine Reise in die unfreiwillige Isolation - erfrischend unaufgeregt, mit humorvoller Distanz zu sich selbst und unerschrocken allem gegenüber, was er sowieso nicht ändern kann.
"Wer allein dort oben bleibt, muss verrückt sein oder konstant alkoholisiert!"
Besprechung vom 02.12.2021
Wenn die Ruhe unruhig macht
Jörg Martin Dauscher lebt im Sommer 2020 in Albanien. Als die Pandemie die Rückkehr nach Deutschland schwierig macht, verbringt er den Winter im Kosovo, in einem Blockhaus in den Bergen. Obwohl er weiß, dass die Vorstellung, den Winter im Süden zu verbringen, "eine romantische Idee (ist), die nichts von schlecht isolierten Häusern und der Misere weiß, die rund um das Mittelmeer mit dem Novemberregen einsetzt". Er landet im Nichts, aber die Natur ist kein Niemandsland. Seine Hütte steht im Rugova-Tal, der einzigen Verbindung vom Kosovo nach Montenegro. Immer wieder trifft er auf Männer, denen anzumerken ist, dass sie den Krieg erlebt haben. "Es ging nie um militärische Ziele", schreibt er, "es ging darum, das kulturelle Erbe der albanischsprachigen Bevölkerung auszulöschen." Dauscher hat ein wohltuend unromantisches Buch geschrieben. Doch er lässt sich berühren. Von der Natur, auch von Menschen. Und spätestens mit den heulenden Wölfen stellt sich ein Jack-London-Gefühl ein. Doch statt "kuhäugig in die Berge zu schauen" mit jeder Menge Zeit, werden "die Tage zu zähem Kaugummi". Die Ruhe macht ihn unruhig. Schließlich wird er eingeschneit, und das Essen wird knapp. Als er zurückkehrt nach Peja, hat er gelernt, mit der Ruhe umzugehen: "Die Stadt war kein Schock, sie war vielmehr ein Fest, ein wundersam verdichteter Raum an Möglichkeiten." bär
"Verfluchte Berge - Von einem, der eingeschneit wurde und das Fürchten verlernte" von Jörg Martin Dauscher. DuMont Reiseverlag, Köln 2021. 248 Seiten. Broschiert
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