Warum verweigert ein Säugling oder Kleinkind die Nahrung? Markus Wilken führt die Forschung der Neurowissenschaften, Entwicklungswissenschaften, Psychodynamik und der Pädiatrie zusammen, um die Entwicklungsdynamik der Nahrungsaversion verständlich zu machen. Vor diesem Hintergrund zeigt er Möglichkeiten auf, mit dem Kind einen neuen Entwicklungspfad einzuschlagen.
Warum verweigert ein Säugling oder Kleinkind die Nahrung? Warum kommt es zur künstlichen Ernährung und wann bleibt diese bestehen? Was geht in einem Kind vor, wenn es sich von der Flasche oder dem Löffel abwendet? Hinter diesen Symptomen verbirgt sich eine komplexe Entwicklungsdynamik, die von einer nährenden Beziehung zur Nahrungsaversion führt. Aus dieser können lang anhaltende Fütterstörung und Sondendependenz entstehen. Das Verständnis der Entwicklung zur Nahrungsaversion in ihrer Komplexität ermöglicht es, gemeinsam mit dem Kind einen neuen Entwicklungspfad einzuschlagen. Markus Wilken führt die Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften, Entwicklungswissenschaften, Psychodynamik und der Pädiatrie zusammen, um die Entwicklungsdynamik der Nahrungsaversion verständlich zu machen. So gewinnen Fachleute aus Psychotherapie, Logopädie, Kinderheilkunde, Physiotherapie und verwandten Fachrichtungen Einblicke in therapeutische Möglichkeiten für eine effektive Behandlung von Fütterstörung und Sondendependenz.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: In aller Munde
I Die Entwicklung der Oralität
1 Nahrung, Oralität und die Entwicklung des Kindes
1.1 Sigmund Freud: Wie alles begann
1.2 Freuds orale Phase
1.3 Die Psychoanalyse nach Freud: Zeit der Hypothesen
1.4 Katerstimmung: Der Verlust der Oralität
1.5 Bindungstheorie: Sicherheit statt Triebe
2 Die Entwicklung des Essverhaltens
2.1 Die Bedeutsamkeit frühkindlicher Erfahrungen
2.2 Erste Phase: Pränatale Entwicklung
2.3 Zweite Phase: Stillen und vollständige Milchernährung
2.3.1 Beginnende interaktive Regulierung
2.3.2 Oralität und Körperkontakt
2.4 Dritte Phase: Beikost (fünfter bis siebter Lebensmonat)
2.4.1 Affekterleben und Füttern
2.4.2 Haltende Beziehung und Füttern
2.5 Vierte Phase: Festere Nahrung, die gekaut werden muss (sechster bis zwölfter Lebensmonat)
2.5.1 Der aktive Säugling
2.5.2 Die familiären Beziehungen
2.6 Geht es nicht ohne Oralität?
II Die frühkindliche Nahrungsverweigerung
3 Nahrungsverweigerung Störung mit Geschichte
3.1 Symptome gestörten Essverhaltens
3.1.1 Geringer Appetit
3.1.2 Verweigerung festerer Kost bzw. selektive Nahrungsaufnahme
3.1.3 Bizarres Essverhalten
3.1.4 Nahrungsverweigerung
3.1.5 Würgen und Erbrechen
3.1.6 Essen mit Zwang
3.1.7 Schluckwiderstand und präorale Abwehr
3.2 Störung der Nahrungsaufnahme Definitionsversuche
4 Was ist eine frühkindliche Fütterstörung?
4.1 Fütterstörung im frühen Kindesalter (ICD-10)
4.2 Avoidant Restrictive Intake Disorder (DSM-5)
4.3 Eating Behaviour Disorder: Diagnostic Classification: 0 3R
4.4 Fütterstörung: Es scheiden sich die Geister
4.4.1 Der nomothetische Ansatz
4.4.2 Der idiografische Ansatz
4.5 Was ist eine Fütterstörung?
5 Was ist Sondendependenz?
5.1 Die Sonde: Segen oder Fluch?
5.2 Die Sonde: Löst sich das Problem nicht von selbst?
5.3 Sind Sondendependenz und Fütterstörung nicht das Gleiche?
5.4 Sondendependenz definiert
5.4.1 Vollständige oder weitgehende Abhängigkeit von der Sondenernährung
5.4.2 Fehlende medizinische Indikation für eine Sondenernährung
5.4.3 Vorliegen einer ausgeprägten Störung des Essverhaltens
5.4.4 Für eine orale Ernährung ausreichende orale Motorik und Schluckfunktion
5.4.5 Wahrnehmung von Sonde und Nahrungsverweigerung als Teil des Selbst
5.4.5 Fazit: Wissen wir jetzt, was Sondendependenz ist?
III Die Entwicklungsdynamik der Nahrungsaversion
6 Wie verliert sich die Oralität?
6.1 Entwicklungspsychopathologie
6.2 Auslöser: Wie die Oralität verloren geht
6.2.1 Fehlender Entwicklungsimpuls
6.2.2 Entwicklungswiderstand
6.2.3 Traumatischer Zusammenbruch
6.2.4 Erklären die Auslöser Nahrungsaversion?
7 Das Nervensystem schlägt zurück!
7.1 Unser Nervensystem entsteht
7.2 Das vegetative Nervensystem
7.3 Das Zwischenhirn
7.3.1 Die Amygdala
7.3.2 Der Hypothalamus
7.3.3 Der Inselkortex
7.4 Der zerebrale Kortex
8 Die Polyvagal-Theorie
8.1 Sicherheit: System sozialen Engagements
8.2 Bedrohung: Flucht oder Kampf
8.3 Lebensbedrohung: Erstarrung
8.4 Wo passiert Nahrungsverweigerung?
9 Das Erleben zerfällt
9.1 Daniel Sterns Theorie des Erlebens des Säuglings
9.2 Sensomotorische Empfindungen
9.2.1 Das nährende sensomotorische Schema
9.2.2 Das sensomotorische Schema bei Nahrungsverweigerung
9.3 Visuelle Wahrnehmung und taktile Empfindungen
9.3.1 Das nährende Wahrnehmungsschema
9.3.2 Wahrnehmungsschemata bei Nahrungsverweigerung
9.4 Handlungsabfolge
9.4.1 Das nährende Handlungsschema
9.4.2 Das Handlungsschema bei Nahrungsverweigerung
9.5 Affekte und Gefühlsgestalten
9.5.1 Nährende Affekte
9.5.2 Affekte bei Nahrungsverweigerung
9.6 Die protonarrative Hülle
9.6.1 Die nährende protonarrative Hülle
9.6.2 Die protonarrative Hülle bei Nahrungsverweigerung
9.7 Das Selbsterleben des Säuglings
9.8 Der Teufelskreis ohne Ende
10 Nicht nährende Beziehungen
10.1 Die Regulation des Einen, des Anderen und das Dazwischen
10.2 Die Selbstregulation des Säuglings
10.2.1 Der irritable Säugling
10.2.2 Physiologische Deregulation
10.2.3 Traumatischer Zusammenbruch
10.2.4 Die gestörte Selbstregulation des Säuglings
10.3 Die Selbstregulation der Bezugsperson
10.3.1 Mutterschaftskonstellation und Nahrungsverweigerung
10.3.2 Nahrungsverweigerung: Ein Trauma?
10.3.3 Mentalisierung und Nahrungsverweigerung
10.4 Die interaktive Regulierung
10.4.1 Entwicklungsmechanismen
10.4.2 Ständige Regulierung: Die Integration von Selbst und interaktiver Regulierung
10.4.3 Unterbrechung und Wiederherstellung
10.4.4 Momente der Affektsteigerung
10.5 Beziehungsmuster
10.6 Epilog: Traumatische Beziehungen
11 Therapeutische Synthese: Das Wissen in die Therapie mitnehmen
11.1 Subjekt von Anfang an
11.2 Dynamik statt Symptomatik
11.2.1 Ernährungsdynamik
11.2.2 Aversionsdynamik
11.2.3 Beziehungsdynamik
11.3 Innere Interdisziplinarität
Literatur