Die 50er Jahre waren in Europa von großer Biederkeit geprägt, so dass dieses Jahrzehnt für mich, sollten Zeitreisen mal möglich sein, bestimmt nicht angesteuert wird. Obwohl Frauen während des zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach zu Hause alles wuppten, mussten sie ihren Platz räumen, sobald die Männer wieder da waren. Warum sie das ohne Aufbegehren taten erschließt sich mir bis heute nicht. Aber es gab sie, die rebellischen Frauen, die sich verschiedene Ausdrucksformen suchten, um auf ihren Autonomiewillen aufmerksam zu machen. Eine davon war die Urheberin dieses Werks.Cécile lebt mit ihrem Vater Raymond in den Tag hinein. Seine wechselnden Liebschaften mit Frauen, die seine Töchter sein könnten, nimmt sie lächelnd hin. Sie genießt sehr viel Freiheit an der Küste Südfrankreichs. Es sind Ferien, man lässt sie in Ruhe und sie kann machen, was sie will. Dann tritt Anne in ihr Leben, die eine Rolle besetzt die Cécile verunsichert. Sie möchte nicht nur die Frau an der Seite von Raymond sein, sondern der 17-jährigen durch Werte Orientierung geben. Dazu schränkt sie sie ein. Natürlich missfällt das dem Teenager. Cécile schmiedet Pläne wie sie ihr altes Leben wieder zurück erlangt. Wir erleben ein Wechselspiel aus unmoralischen Taten und Reue, in das nicht nur Cécile verstrickt ist. Als Mädchen, das sich noch in der Pubertät befindet, hat sie jedes Recht unstet zu sein. Dass sie trotz allem sehr reflektiert ist, hat mir richtig gut gefallen. Ihre Innenansichten sind oft nachvollziehbar, wenn man nicht verlernt hat, sich in die Gefühle junger Menschen zu versetzen. Sie denkt nicht viel nach und tut es irgendwie doch. Ihre Naivität wird abgelöst von sehr erwachsenen Sichtweisen, um dann wieder unbedacht zu handeln und danach zu bereuen. Sie beobachtet die Menschen um sich herum mit großer Präzision und zieht meist die richtigen Schlüsse. An Anne kam ich nicht so richtig ran. Sie wirkt androgyn und unnahbar und obwohl ihr übel mitgespielt wurde, konnte ich kaum Mitgefühl für sie entwickeln. Raymond hingegen hat große Emotionen bei mir ausgelöst. Leider keine positiven. Dieser erwachsene Mann, Partner und Vater wirkte auf mich, als hätte er keinen Knochen im Leib. Eitel und verantwortungslos lässt er sich von Impulsen steuern und vernichtet damit die Menschen, die er eigentlich liebt. Ich glaube dass Liebe in diesem Text sowieso keine besonders große Rolle spielt. Auch wenn sie so benannt wird, handelt es sich in erster Linie darum, Menschen zu brauchen oder zu benutzen. Es ist bekannt, dass Sagan dieses Buch in nur 8 Wochen schrieb. Sie war gerade 18 Jahre alt und musste dies zuerst unter einem Pseudonym tun. Ihre Eltern ahnten schon, dass dieses Buch einen Skandal auslösen würde. Diese Erzählung gilt als Vorreiter der feministischen Revolution. In einer Zeit in der konservative Werte und die klassische Rolle der Frau von Männern mit allen Mitteln manifestiert wurde, schrieb die junge Autorin über sexuelle Befreiung und Selbstbestimmtheit. Nach heutiger Lesart ist das kaum zu erkennen, doch im historischen Kontext ist das ein absolut fortschrittliches Buch. Dass sie einen Mann in den Mittelpunkt stellt, um den alle Frauen kreisen und der, wie auch immer, das Objekt der Begierde ist, verwundert da nicht.Das Nachwort von Sybille Berg ist diesbezüglich sehr aufschlussreich und hat für mich die Hintergründe noch mal ganz vorzüglich erhält.Stilistisch ist es zeitlos. Ich weiß nicht, ob es an der Übersetzung liegt, aber der Text hätte heute geschrieben sein können. Er wirkt bisweilen literarisch, ist aber in keinster Weise schwer zu lesen. Oft erinnerte mich die Umsetzung an einen Aufsatz einer sprachlich Hochbegabten. Das meine ich alles andere als abwertend.Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dieses Buch, würde es heute erscheinen, als besonders oder skandalös gelesen werden würde. Das ist nur im Kontext der damaligen Zeit zu sehen und damit bleibt es ein sehr guter und empfehlenswerter moderner Klassiker