Dr. Samuel Fergusson ist Forschungsreisender mit Leib und Seele. Viel ist er schon in der Welt herumgekommen. Doch nun reizt ihn der afrikanische Kontinent. In den 1860ern befindet sich noch immer in dessen Mitte ein riesiges unerforschtes Gebiet. Doch Fergusson ist allen anderen Weltentdeckern einen Schritt voraus, denn er beginnt seine Fahrt mit einem großen Ballon. Mit dabei: alles was ein ordentlicher Entdecker braucht, seinen Freund Richard Kennedy und seinem treuen Diener Joe. Der erste der Romane aus dem Zyklus der Reisebeschreibungen Jule Vernes entführt die Leserschaft sogleich in ein fast unberührtes Afrika. Zwar bekommen wir auf sehr trockene und nüchterne Art erst einmal die drei Protagonisten und die Hintergründe zur Reise präsentiert, doch recht schnell schlägt der sprachliche Stil Vernes in einen leitfüßigen Trab um, der es dennoch nicht versäumt, einem beim Lesen die Schönheit der Wildnis und die Sichtungen von Flora, Fauna und lokaler Bevölkerung zu beschreiben. So hat sich bei mir ein enormes Lesetempo ergeben und die Seiten fliegen nur so an mir vorbei. Denn gerade diese Beschreibungen dessen, was unsere drei Ballonfahrer sehen, habe ich nur so in mich aufgesogen. Auch mit technischen Details in Hülle und Fülle wartet der Autor nur so auf. Nach heutigem Verständnis von Technologie und Physik sind diese nicht sehr schwer nachvollziehbar, fraglich, ob das auch zu Entstehungszeiten des Romans so war. Man bedenke, dass das Buch aus dem Jahr 1863 stammt. Das gilt sowohl für den gerade angesprochenen Punkt und denjenigen, mit dem ich mich als nächstes auseinandersetzen werde.Denn man muss wirklich sagen, dass das Buch einfach ein Kind seiner Zeit ist. Zwar werden im Buch keine explizit pseudowissenschaftlichen Theorien vertreten, allerdings merkt man, dass den afrikanischen Ureinwohnern kaum positive Eigenschaften zugesprochen werden. Die Ballonfahrer philosophieren immer wieder darüber, wie primitiv und kulturlos die Eingeborenen doch sind. Auch scheint es kaum einen Stamm zu geben, der laut Dr. Fergusson keinen Kannibalismus zu praktizieren scheint. Immer wieder kommen die drei in Situationen, in denen sie sich aus den Fängen der Einheimischen befreien müssen, wobei auch der eine oder andere von ihnen dabei unwiederbringlich zu Bruch geht. Nichts desto trotz kommt man gut damit klar, auch wenn es für uns sehr befremdlich ist, so war es für die damaligen Europäer:innen einfach Alltag so zu denken. Ein weiterer Punkt, mit dem ich nicht ganz klargekommen bin, ist die Schiesswütigkeit, die unser lieber Richard Kennedy an den Tag legt. Den er ist leidenschaftlicher Jäger, was sich im Buch stellenweise sehr stark niederschlägt. So meint der gute Herr immer wieder einmal unbedingt den sicheren Ballon verlassen zu müssen, um seine animalischen Triebe des Tötens ausleben zu können. Rückwirkend - mit dem Bewusstsein des ökologischen Desasters, den der Kolonialismus in Afrika angerichtet hat und immer noch anrichtet - wirklich unverständlich. Eine Kleinigkeit noch wäre, dass unsere drei Protagonisten zwar jeweils einen sehr eindeutigen Charakter attestiert bekommen, wir als Leserschaft aber aufgrund dessen, dass es an zusätzlichen Infos mangelt, auf charaktertechnischer Ebene ziemlich auf dem Trockenen sitzen. Man hätte sich einfach gewünscht, mehr über die drei zu erfahren, seien es optische Merkmale, oder was bis jetzt in ihrem Leben bereits so geschehen ist. Besagte Kritikpunkte halten sich im Rahmen, auch wenn sie von mir gerade ausschweifend erörtert wurden, denn es ist keinesfalls so, dass der gesamte Lesespaß getrübt worden wäre. Das Buch ist einfach gut geeignet, sich in einer unbekannten und längst versunkenen Welt zu verlieren und sich selbst als Abenteurer vorzustellen. Mit Jules Verne wird man einfach wieder zum Kind.