In diesem Kinderbuch von Nicola Skinner ist vieles ganz zauberhaft und vermittelt großartige Botschaften: Wir müssen aufbegehren gegen die Konformität, Kinder brauchen frische Luft und Freiheit zum Spielen und: Die Menschen dürfen die Natur nicht zerstören. Für all das können wir keine Betonschädel gebrauchen, also warum sollen unsere Gedanken nicht ebenso sprießen wie Blumen?
Die Protagonistin von "Agatha Merkwürdens Racheblumen" ist Melissa und sie ist so brav, dass es einem schon fast auf die Nerven geht. Aber sie macht das, weil sie damit ihre Mutter aufmuntern will, die immer so traurig ist. Doch dann findet Melissa unter der fast abgestorbenen Weide im Garten ein Päckchen mit sehr merkwürdige Samen. Und das war¿s dann mit der Konformität im Städtchen Klein-Sterilitz.
Die Autorin verwendet eine großartige, überbordende, im wahrsten Sinne des Wortes blumige Sprache. Mit der Schönheit kommt große Komplexität. Manche Sätze ziehen sich über einen Absatz, was es für den 7,5jährigen manchmal etwas kompliziert zum Zuhören machte und auch das Vorlesen für mich schwieriger gestaltete. Aber gerade die Sprache hat uns bei der Lektüre sehr viel Spaß bereitet. Das Buch wird außerdem erst ab 10 Jahren empfohlen und zum Selberlesen ist es vor diesem Alter sicherlich für die meisten zu kompliziert. Beim Vorlesen geht es, wie wir festgestellt haben, mit ausreichenden Erklärungen aber schon früher. (Erst recht, weil mein Sohn durch "Fridays For Future" total am Umweltschutz interessiert ist.)
Die Lektüre wurde an vielen Stellen sehr emotional. Die Emotionen kochten beim Kind sogar manchmal hoch, etwa, wenn der gemeine Schuldirektor die Kinder wieder unterdrücken wollte, da fielen schon - auch für mich nachvollziehbar - einige kindliche Schimpfwörter.
Absolut gelungen finde ich, wie nachvollziehbar und kindgerecht die Autorin die Depression der Mutter schildert, ohne, dass dieser Begriff ein einziges Mal fällt. Das Buch eignet sich daher hervorragend für betroffene Eltern, um damit ihren Kindern diese Krankheit zu erklären. Und auch um den Kindern deutlich zu machen, dass sie aufgrund solch einer Krankheit oder anderer Umstände nicht die Verantwortung für ihre Eltern übernehmen müssen. Das Phänomen der Parentifizierung, dass sich gerade akut bei dem Kampf gegen die Klimakrise zeigt, hat nämlich seine Schattenseiten, wie man an Melissa sieht.
Neben der tollen Grundidee und den positiven Aspekten hat das Buch leider auch Schwächen: Manches wurde meiner Meinung nach zu schnell abgehandelt oder einiges dramatisches Potential verschenkt. Das liegt auch daran, dass Melissa selten wirklich aktiv wird, sondern lange in ihrer braven Rolle verharrt. Manches zog sich und wurde redundant. Aber immer fingen das dann wieder die zauberhafte Ideen der Autorin auf oder ein großartiger Dialog.
Zudem haben wir Melissas beste Freundin Nia aus ganzem Herzen geliebt: Ein Mädchen mit indischstämmigen Eltern, die Wissenschaftlerin werden will, und für Kinderrechte kämpft. So eine wundervolle Figur möchte wir gerne noch viel, viel häufiger lesen.
Wir haben "Agatha Merkwürdens Racheblumen" sehr, sehr gerne gelesen. Für die großartige Botschaft, Diversity, das Verständnis für psychologische Zusammenhänge und die schöne Sprache vergebe ich 4 Sterne und mein Sohn 5 Sterne, weil er zudem die Auflösung richtig klasse fand. Also runden wir bei diesem schönen Buch auf 5 Sterne auf.