Es ist September 1913, am Vorabend des Ersten Weltkrieges, als der junge, polnische Student Mieczys¿aws der Kanalisationsbautechnik aus Lemberg im Lungensanatorium Görbersdorf in Niederschlesien ankommt. Fast hatte er es sich schon bewusst gemacht - dass die Krankheit ihm zu einem überaus passenden Zeitpunkt in seinem kurzen Leben geradezu gelegen kam, indem sie ihm die Chance gab, sich selbst neu zu formulieren, und dass er sich eigentlich glücklich schätzen konnte, hier zu sein, in diesem an den Wassern eines unterirdischen Sees erbauten kleinen schlesischen Kurort. Kranke aus ganz Europa versammeln sich dort, und diskutieren und philosophieren unermüdlich miteinander - mit Vorliebe bei einem Gläschen Likör mit dem klingenden Namen "Schwärmerei", und die "Frauenfrage" steht ziemlich oft im Mittelpunkt der Diskussion. Zudem bietet die kleine Welt von Görbersdorf reichlich Gesprächsstoff: Am Tag nach Mieczys¿aws Ankunft hat die Frau des Pensionswirts Selbstmord begangen. Überhaupt komme es häufig zu mysteriösen Todesfällen in den Bergen ringsum, heißt es. Was Mieczys¿aw nicht weiß: Dunkle Mächte haben es auch auf ihn abgesehen.Meine persönlichen Leseeindrücke Gleich vorweg: ich habe den mystischen Teil nicht ganz verstanden, genauso wenig wie den Vergleich mit Thomas Manns "Zauberberg", abgesehen von der augenscheinlichen Übereinstimmung der groben Rahmenbedingungen.Mieczys¿aw Wojnicz, unser Hauptakteur in dieser mir sich nicht ganz erschlossenen Geschichte, ist ein interessanter Mensch. Seine Muttersprache ist Polnisch, doch aufgewachsen ist er ohne Mutter mit seinem Vater und dem Onkel in der feschen Husarenuniform in Lemberg. Sein Aufenthalt im Luftkurort Görbersdorf, im preußischen Schlesien gelegen, entwickelt sich zu einer wahrlich ungewöhnlichen Erzählung. ... an diesem Ort, wo kranke Menschen ihre armen Lungen mit der Wunder wirkenden Bergluft reinigen, welche mit ihrer geheimnisvollen Zusammensetzung jene winzigen Wesen tötete, denen gegenüber die Menschen sich schließlich nichts hatten zuschulden kommen lassen und deren verbissene Feinseligkeit sie daher gar nicht verstanden - die Koch'schen Bazillen.Dieser junge Ingenieurstudent, der kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs aufgrund seines körperlichen Gebrechens einen Kuraufenthalt für Lungenkranke in den Bergen verbringt, durchläuft eine besondere Entwicklung. Zwischen Anwendungen und Spaziergängen, Gesprächen mit anderen Kurgästen und den sonderbaren Vorfällen, die sich ereignen, überdenkt er seine Erziehung und Kindheit, erinnert sich an die unzähligen Arztbesuche, bis er, als diesjährige Opfergabe ausgewählt, aufgrund seiner Besonderheit sein Leben retten kann.Es ist doch ganz einfach, dachte Mieczys Wojnicz, während er seine Tränen herunterschluckte, die sich in seinem zarten kindlichen Körper mit dem Tierblut mischte: Ein Mann zu sein heiß, zu lernen, alles zu ignorieren, was Probleme bereitete. Das ist das ganze Geheimnis.Der Roman war insgesamt angenehm zu lesen und jederzeit anregend, sodass ich mit Interesse der Handlung gefolgt bin. Interessant und gut eingebaut fand ich die politischen Veränderungen, die die Kurgäste aus ihrem Kurort verfolgen. Auch die misogyne Denkweise der Männer, die Olga Tokarczuk so spöttisch präsentiert und damit die männlichen Erdbewohner auf faszinierende Weise in ihrer Dummheit bloßstellt, hat mich sehr erheitert.Dennoch ist der Funke nicht übergesprungen, das Mystische hat mich nicht erreichen können.Fazit"Empusion" von Olga Tokarczuk ist ein literarisch interessantes Verwirrspiel, mit einem gehörigen Schuss Mystik, von geheimnisvollen Andeutungen und alten Traditionen der Geschlechterrollen.