Spannung kann Wolfgang Kaes, keine Frage. Schon im ersten Kapitel veranschaulicht er nicht nur das Tempo, in dem "Cleaner" wie sein Held Alejandro wichtige Entscheidungen über verstörende Inhalte treffen müssen sondern konfrontiert diesen auch bereits mit dem zentralen Problem. Wenig später ist die Verschwörung gefühlt überall: Polizei, Kirche, Web-Konzern - Alejandro und seine Freunde werden von mächtigen Gegnern gejagt oder wenigstens argwöhnisch beobachtet. Wie real diese Bedrohung im heutigen Spanien noch ist muss man dem Autor zunächst einfach glauben.Der lange Schatten der Franco-Diktatur und der Verwicklung der katholischen Kirche darin lässt sich indes gut belegen. Mit Blick auf den in ganz Europa erstarkenden rechten Populismus findet sich auch in Spanien ein erschreckender gesellschaftlicher Konflikt, der zudem die im Vergleich zur BRD noch recht jungen demokratischen Verhältnisse bedroht. Alejandros Charakter und seine komplexe, mit den Ereignissen verwobene Familiengeschichte, kommt im Vergleich zu den Sachinformationen und der Botschaft des Thrillers dann leider ein wenig zu kurz.Unterhaltung mit Haltung ist eine gute Sache, doch dann sollte auch der literarische Teil nicht zu kurz kommen. Was die zahlreichen Enthüllungen und Bedrohungen mit Alejandro machen kommt kaum zur Sprache, lieber fügt der Autor ganze Kapitel im Reportage-Stil über Desinformation ein, die für sich genommen ein packendes Sachbuch ergeben hätten, jedoch in einem Roman fehlplatziert wirken.Grautöne gibt es kaum, alles ist entweder Teil einer Verschwörung oder Mittel zur Aufklärung. Wie schwierig es ist sich zwischen wahren Newsmeldungen, tatsächlichen Problemen und Fake-News zurechtzufinden und wie man daran scheitern kann kommt nicht zur Sprache. Daneben darf Alejandro eine lang absehbare Liebschaft eingehen, seine Mutter herausfordern und ähnliche Dinge aus der Roman-Mottenkiste durchleben. Ein durchaus spannender Thriller mit gleich mehreren topaktuellen Themen, der durch seine flachen Charaktere allerdings an Bedeutung verliert.Bonusmaterial: Nachwort des Autors