Der Inhalt verströmt schnell eine Finalstimmung und lässt erahnen, dass die Reihe dem Ende entgegengeht. Zu Beginn steht der Fall nicht im Vordergrund, den es diesmal zu lösen gibt. Stattdessen begleiten wir Jenny Aaron auf den Weg in die Therapie von der sie sich erhofft, wieder sehen zu können. Diesem Handlungsstrang begegnete ich mit Misstrauen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, dafür zu sorgen, dass Blinde wieder sehen können, wäre das sicher eine Methode, die schon längst in aller Munde wäre und von vielen Späterblindeten genutzt werden würde. Zumindest gehe ich davon aus. Da ich bisher noch nichts von einer Therapie dieser Art gehört habe, war ich mir nicht sicher, wie realistisch dieser Handlungsstrang wirklich ist. Das war mein erster Kritikpunkt an diesem Handlungsstrang. Im zweiten Kritikpunkt geht es um die Frage, wie man Blinde in der Literatur darstellt. Geht es darum, die Erblindung zu verdrängen, um wieder normal sein zu wollen? Oder setzt man sich mit dem Thema Erblindung auseinander und schafft es dafür zu sorgen, dass Charaktere die Erblindung verarbeiten können? Nach dem Ende des zweiten Bandes befürchtete ich, dass Andreas Pflüger auf das Mittel der Verdrängung setzte. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie froh ich war, als sich herausstellte, dass ich mich offenbar getäuscht habe. Andreas Pflüger arbeitet den Weg von Verdrängung der Erblindung zu Auseinandersetzung mit der Blindheit sehr gut und nachvollziehbar heraus. Als dann der zweite Handlungsstrang, nämlich unser Kriminalfall, ins Spiel kommt, beschränkt sich die Handlung nicht nur auf Jenny Aaron und Personen, die ihr nahestehen. Schnell stellt sich heraus, dass diesmal die ganze Abteilung, Aarons Zuhause, in Gefahr ist und somit im Mittelpunkt der Handlung steht. Zum einen muss der Bestand der Abteilung innenpolitisch verteidigt werden. Zum anderen bahnt sich eine andere Bedrohung für die Abteilung an. Diese Wendung brachte für mich auch ein Stück Finalstimmung mit sich, weil klar wird, dass nach dem Ende des Hörbuchs nicht mehr sein wird, wie zuvor. Andreas Pflüger hat in diesem Band auch eine Weiterentwicklung unserer Charaktere geschaffen. Damit meine ich nicht nur die Charaktere im Einzelnen, sondern auch in ihrer Beziehung zueinander. Im Mittelpunkt der Handlung steht zudem auch die zentrale Frage, was Jenny Aaron bisher im Leben beeinflusst hat und das war vor allem ihr Vater, ein angesehener Polizist. Aaron stellt nicht nur die Beziehung zu ihrem Vater in Frage, sondern muss für sich herausfinden, ob die Erziehung ihres Vaters dafür gesorgt hat, dass sie bisher glücklich warEinerseits war die Auseinandersetzung mit ihrem Vater aufgrund der Handlung ein nachvollziehbarer Konflikt. Andererseits fand ich es auch etwas kritisch, dass Aarons Vater so schlecht wegkommt. Da er bereits tot ist, kann sich Aaron nicht mehr mit ihm auseinandersetzen. Spannender hätte ich den Konflikt gefunden, wenn eine Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter möglich gewesen wäre. Zudem gab es in der Psychologie lange Zeit die Theorie, dass Eltern aufgrund ihrer Erziehung allein für die Probleme der eigenen Kinder verantwortlich sind. Inzwischen ist diese Theorie aber überholt und man weiß, dass der Auslöser für eine Erkrankung immer mehrere Faktoren hat. Da hier viel Kritik an Aarons Vater geübt wird, erinnerte mich das an die inzwischen veraltete Theorie. Mir fehlte der Aspekt, dass niemand auf die Idee kommt, dass Aaron ihren Vater auch schon früher hätte in Frage stellen können. Die anderen beiden Protagonisten, nämlich Aarons Vorgesetzte und Ulf Pavlik, müssen sich ebenfalls mit wichtigen Fragen auseinandersetzen: Pavlik muss sich fragen, wie lange er die Arbeit in der Abteilung noch schafft und ob es nicht langsam besser wäre, sich zurückzuziehen. Die Vorgesetzte der beiden muss die Abteilung nicht nur innenpolitisch verteidigen, sondern sich auch immer wieder fragen, wem sie wirklich trauen darf. Während es in den vorherigen Bänden vor allem um einzelne Charaktere ging, stellt sich hier heraus, dass diesmal die Abteilung mit ihren Haupt- und Nebencharakteren im Mittelpunkt steht. Aus Mitarbeitern, die sich, um Distanz zu wahren, nur beim Nachnamen nennen, werden plötzlich Verbündete und es wird deutlich, dass jede*r von ihnen eine Geschichte hat und nicht einfach so ersetzt werden kann. Was die Hörbuchgestaltung betrifft, überzeugt RandomHouse Audio wieder auf ganzer Linie. Das sage ich jetzt nicht nur, weil ich diesen Titel als Rezensionsexemplar bekommen habe. Das Hörbuchcover ist schlicht, aber wieder mit Punktschrift, gestaltet. Der Titel nimmt den ganzen Raum des Covers ein. Geblendet wurde als ungekürzter Titel produziert und ich bin auch diesmal froh, dass von Kürzungen abgesehen wurde, da es fraglich wäre, ob das Wesentliche der Handlung erhalten geblieben wäre, wenn man Teile davon gekürzt hätte. Gelesen wurde das Hörbuch, wie auch die vorherigen Bände, von Nina Kunzendorf, die es schafft, jeden Band auf eine andere Weise zu interpretieren, aber dennoch für den Wiedererkennungswert zu sorgen. Sie hat es nicht nur geschafft, die weichen und auch harten Seiten der Handlung stimmlich hervorzuheben. Sie hat es außerdem geschafft, die Veränderungen unserer Charaktere, insbesondere Jenny Aaron, allein durch ihre Interpretation und die Betonung, herauszuarbeiten und hörbar zu machen. Was mir diesmal richtig gut gefallen hat war, dass auch das Nachwort von Andreas Pflüger eingesprochen wurde. Ich höre Nachworte oder Danksagungen sehr gerne, weil mich zum einen interessiert, wem Autor*innen danken bzw. wer alles zur Veröffentlichung des Titels beigetragen hat. Zum anderen finde ich es aber auch spannend zu hören, was Autor*innen über die wesentlichen Aspekte ihres Werkes denken. So geht Andreas Pflüger in 1-2 Sätzen auch nochmal auf die von ihm beschriebene Therapie ein, was ich sehr wichtig und auch notwendig fand. In diesem Band hatte ich auch den Eindruck eine Veränderung in Andreas Pflügers Schreibstil wahrzunehmen. Er schafft es nicht nur die lauten, sondern vor allem die leisen Töne von Geblendet in Worte zu fassen. Gerade die Veränderung, die zwischen den Mitarbeiter*innen der Abteilung vor sich geht, passiert beinahe unmerklich und ich stelle es mir unglaublich schwierig vor, diese Veränderung in einem Roman herauszuarbeiten. Was ich außerdem faszinierend fand war, wie Andreas Pflüger den Spannungsbogen aufgebaut hat. Diesmal hat er es geschafft, die Handlung größer zu erzählen, was mich an einigen Stellen fast wahnsinnig gemacht hätte, weil ich kaum glauben konnte, was gerade wirklich passiert. GesamteindruckWährend mir der zweite Band dieser Reihe nicht ganz so gut gefallen hatte, konnte mich der dritte Band wieder völlig überzeugen. Ich mag unsere Charaktere und die Handlung. Was mir besonders gut gefällt ist, dass ein Großteil der Handlung zwar abgeschlossen scheint, aber hier und da ein paar Hintertüren offengelassen werden, die mich hoffen lassen, dass es vielleicht noch einen Band dieser Reihe geben wird. Ich kann diese Reihe allen empfehlen, die nicht nur einen actionreichen und spannungsgeladenen Thriller suchen, sondern auch an einer Reihe interessiert sind, in der es viele Zwischentöne gibt, die sich vor allem im Verborgenen abspielen.