Besprechung vom 03.03.2022
Als zöge ihm jemand die warme Decke weg
Krieg wie im Krimi: Stefan Heyms früher Roman "Flammender Frieden" erscheint erstmals auf Deutsch. Auf Englisch kam er 1944 heraus, kurz nach der Invasion der Alliierten in der Normandie. Und er erzählt auch über diese Zeit.
Wenn - wenn! - ich zurückkehre, werde ich ein Buch schreiben, das entweder den Beweis erbringen wird, dass ich ein fähiger Schriftsteller bin, oder das mich bricht", notierte Stefan Heym, seit Januar 1943 Rekrut der US Army, ein wenig melodramatisch aus der Grundausbildung in Camp Crowder an seine spätere Frau Gertrude Gelbin. Dabei war das Foto des jungen Mannes da bereits im "Time Magazine" erschienen: Mit seinem auf Englisch verfassten, im Herbst 1942 herausgekommenen und sogleich in Hollywood verfilmten Roman "Hostages" (deutsch "Der Fall Glasenapp") hatte der vor den Nazis zunächst nach Prag, dann weiter in die USA geflohene Heym mehr als einen Achtungserfolg gelandet.
Mit dem Romanmanuskript "No Turnpike Gates", das Heym noch kurz vor der Einberufung an seinen amerikanischen Verlag Putnam's Sons geschickt hatte, lief es weniger gut; es fiel krachend durch. Nach Einbürgerung und absolvierter Grundausbildung wollte es der in eine Einheit zur psychologischen Kriegsführung nach Camp Ritchie nordwestlich von Washington versetzte Heym allerdings wissen: Wenn sich der ehrgeizige junge Autor gerade nicht mit dem deutschen Feind zu beschäftigen oder Bestandslisten in die Schreibmaschine zu hacken hatte, studierte er die Technik von Stephen Cranes Sezessionskriegs-Drama "The Red Badge of Courage" (1895) und ging, wie er seiner Freundin schrieb, ein neues Projekt an: "Ein Kriegsroman soll es sein, Hauptheld ein aus Deutschland geflüchteter Antifaschist, der in Spanien gekämpft hat, dann nach Amerika kommt, in die Armee eingezogen wird und nun, in Nordafrika, eine zweite bessere Chance erhält, dem alten Feind gegenüberzutreten . . ." Vier Monate nach der Landung der Alliierten in der Normandie brachte Little, Brown and Company (Boston), jener Verlag, der "Hostages" noch abgelehnt hatte, Heyms Roman "Of Smiling Peace" heraus. Nun ist es als "Flammender Frieden" ins Deutsche übersetzt worden.
Kann es im Krieg so etwas Altmodisches wie Grundsätze geben, und ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg? In seiner Autobiographie "Nachruf" erklärte Heym die Intention seines Schreibens: "Es geht darum, ob die Amerikaner, die angetreten sind, Freiheit und Demokratie zu bringen . . ., sich mit jedem Schurken und Faschisten verbinden sollen, der sich ihnen anbietet, oder ob sie nicht eher, um der Sache willen, den schwierigeren Weg gehen, vielleicht sogar eigene Truppen dafür opfern müssen." In diesen Konflikt stellt Heym seine Protagonisten Colonel Wintringham vom Stab der im Winter 1942 in Nordafrika gelandeten amerikanischen Truppen und dessen obersten Vernehmer, Lieutenant Bert Wolff.
Letzterer, ein Emigrant in Army-Uniform, der im KZ Oranienburg saß und im spanischen Bürgerkrieg kämpfte, ist erschöpft und ausgebrannt, alles andere als ein Superheld. Seinen Gegenspieler, Major Ludwig von Liszt, untergetauchtes Mitglied des deutschen Generalstabs, kennt Wolff noch aus Spanien. Die Jagd auf ihn durch halb Nordafrika ist ein Spannungstreiber der Handlung, ein anderer die Frage, welcher der Kriegsparteien, Amerikanern oder Deutschen, es gelingt, den skrupellosen Vichy-Kolonialoffizier Monaitre auf ihre Seite zu ziehen. Heym hat diesen wie ein Warlord agierenden Befehlshaber dem französischen Admiral François Darlan nachempfunden, der - im wirklichen Leben - mit den Amerikanern paktierte. Im Roman darf Colonel Wintringham spät erkennen, dass ein Zusammengehen mit Monaitre der Aufgabe aller seiner Prinzipien gleichkäme.
Neben dem Pokerspiel der drei Mächte und einer fintenreichen Verfolgungsjagd zwischen Algier und Constantine versucht Heym den Leser mit einer Liebesgeschichte um eine Femme fatale bei der Stange zu halten: Die schöne Marguerite Fresneau ist nicht nur Liszts Geliebte, sondern wird auch von Wolff und Monaitre heiß begehrt. Michael Curtiz' Erfolgsfilm "Casablanca" lässt grüßen.
Der Autor ist routiniert genug, um zu wissen, dass er einen Kriegsroman nicht nur mit Blick vom Feldherrenhügel spielen lassen kann. In Gestalt des Sergeanten Shadow McManus, Wolffs Freund und Ex-Ausbilder, holt er die Perspektive des einfachen GI ins Buch. Hier gelingen packende Szenen wie etwa die Landung an der algerischen Küste, mit der der Leser förmlich in die ersten Seiten hineingezogen wird: "Um 04.31 Uhr morgens eröffneten die Franzosen das Feuer . . . Im selben Moment knirschte das Landungsboot mit Sergeant Shadow McManus und einigen seiner Männer auf den Sand. Die Bugrampe klappte nach unten und wurde zur kurzen Gangway, die in die flache Brandung führte. Für Shadow, der hinter der Rampe gekniet hatte, war es, als zöge ihm jemand die warme Decke vom Bett."
Was in der Folge leider häufiger knirscht, ist die Romanhandlung, die zwischen großer Schlachtenbühne und Mannschaftszelt, Krimi-Versatzstücken und Lovestory arg kolportagehaft voranschreitet. Nicht selten wird die Motivlage von Helden und Schurken ausführlich dargelegt, und - doppelt genäht hält besser - anschließend in volltönenden Dialogen zur Aufführung gebracht. Dass Wolff einen hartgesottenen SS-Offizier nach wenigen Verhörminuten allein mit den Waffen des Intellekts zum Reden bringt, mag im Ausbildungsplan von Camp Ritchie, nicht aber in der Realität von 1943 funktioniert haben.
Heym war sich durchaus bewusst, dass er seinen Roman "nicht aus den Eingeweiden heraus", sondern aus "Erlerntem, Erlesenem und Erfragtem" geschrieben hatte - ein Buch, so hielt er es in "Nachruf" fest, das für ihn vor allem als Vorstudie zum Welterfolg "Crusaders" von Bedeutung war und das er deshalb auch nicht ins Deutsche übersetzte. "Wichtig für mich, aber nicht für den Leser von heute."
Die gern beschworenen "jüngeren Lesergenerationen" werden sich in diesem Buch womöglich bewegen wie in einem James-Bond-Streifen aus den Sechzigern - zumal, wenn sie auf Worte wie "Mumpitz" oder "Humbug" stoßen. Dass Stefan Heym mit seiner Einschätzung dennoch nicht recht behalten hat, liegt weniger an flotten Aktualisierungsversuchen - im sonst sehr instruktiven Nachwort wird vom Aufstieg Donald Trumps geraunt -, sondern am Übersetzer: Bernhard Robben hat der Versuchung widerstanden, sich Heyms Deutsch in einem Akt der Mimikry anzuverwandeln. So wie Bert Wolff nach Ludwig von Liszt fahndet und in mühsamer Puzzlearbeit Tarnung nach Tarnung aufdeckt, hat Robben versucht, unter der Maske des Amerikanischen die Konturen des Deutschen von Stefan Heym freizulegen. Etwas Besseres hätte dem seit einem guten Dreivierteljahrhundert im Halbverborgenen schlummernden Text nicht passieren können. NILS KAHLEFENDT
Stefan Heym: "Flammender Frieden". Roman.
Aus dem Englischen von Bernhard Robben. C. Bertelsmann, München 2021. 478 S., geb.
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