Als Anfang der 1960er die afroamerikanische Musik aus der Kirche ausbrach und Sänger wie Ray Charles oder Sam Cooke den Gospel mit weltlichen Texten versahen, um ein neues Publikum zu erschließen, war die 7"-Single das Medium der Stunde. Die frühen Soul-LPs waren meist Zusammenstellungen erfolgreicher Singles, angereichert mit Coverversionen. Das sollte sich 1971 radikal ändern, als Marvin Gaye "What's Going On" gegen den Widerstand seines Labels Motown herausbrachte. Danach gab es kein Halten mehr. Sly & The Family Stone, Stevie Wonder, Isaac Hayes, The Temptations, James Brown und zahllose sträflich unbeachtete Gruppen, nutzten das Medium, um Missstände zu kommentieren und Experimente zu wagen. Songs dehnten sich über zehn Minuten und verließen das radiofreundliche Drei-Minuten-Format. Zudem erhielt die Musik eine optische Ästhetik, die Musiker bekamen ein Gesicht und erzählten auf den Rückseiten der Cover ihre Geschichte. Wer vorher für die Stimme von Al Green schwärmte, konnte ihn jetzt im weißen Anzug auf einem Korbstuhl fläzend als LP in den Händen halten. Heute werden Original-LPs für teils schwindelerregende Summen gehandelt. Plattenläden und Onlinebörsen boomen. Die Haptik der Platte, das Knistern, wenn die Nadel in die Rille greift, die analoge Wiedergabe und nicht zuletzt die DJ-Kultur haben sich der Logik des technischen Fortschritts einfach widersetzt. Totgesagte leben länger, heißt es. Das gilt allemal für die LP. Jener Aura, die nur eine Originalpressung haben kann, ist dieser Kalender gewidmet.