Ich hatte vor einiger Zeit das Buch "Come, tell me how you live" gelesen, in dem Agatha Christie einige Erinnerungen an die Zeit teilt, die sie mit ihrem zweiten Ehemann, dem Archäologen Max Mallowan, im Nordirak und in Syrien verbracht hat. In diesem Buch geht es Christie nicht um eine Dokumentation der Grabungen oder wissenschaftliche Erkenntnisse, sie gibt stattdessen einen Einblick in die alltäglichen Begebenheiten auf ihren Reisen und während der Ausgrabungen und es enthält zahlreiche charmante Beschreibungen von eher skurrilen Charakteren.Mit "Mord in Mesopotamien" hat Christie diese Zeit, vor allem den Besuch der Ausgrabungsstätte bei Ur, auch in Romanform bearbeitet und der Krimi lebt von den Beschreibungen der Personen, die zum Teil eben reale Vorbilder haben, allen voran die ungewöhnliche und faszinierende Louise Leidner, die sich mit ihrem (zweiten) Ehemann, dem Archäologen Dr. Eric Leidner im Irak befindet. Leidner hat Angstzustände und Wahnvorstellungen und ihr Ehemann beschäftigt eine Krankenschwester, Amy Leatheran, die sich um seine Frau kümmern soll und aus deren Sicht die Geschehnisse erzählt werden.Als Leidner ermordet wird, befindet sich Hercule Poirot gerade in der Nähe von Hassanieh (er ist unterwegs nach Bagdad). Gemeinsam mit Amy beginnt er zu ermitteln.In diesem Krimi stimmt einfach alles. Das Setting und die Atmosphäre sind mehr als bezaubernd. Ich habe das Gefühl mitten bei der Grabung dabeizusein, kann mir ganz genau vorstellen, wie die Mitglieder des Teams untergebracht sind und auch die Landschaft erscheint ganz lebendig vor meinen Augen, was natürlich auch daran liegt, dass Christie die Region kennt. Die Charaktere sind sehr liebevoll gezeichnet, darunter der Philologe Father Lavigny, der die Inschriften bearbeitet und der drogensüchtige Joseph Mercado. Nicht nur die beiden, sondern viele der Personen scheinen irgendwie etwas zu verbergen und wirken verdächtig. Die Auflösung kommt unerwartet, ist typisch Christie - einfach charmant und eigenwillig, eher phantasievoll und kreativ als pragmatisch-logisch.Wer Agatha Christie mag, wer den Orient faszinierend findet und sich für Ausgrabungen interessiert, wird diesen Band lieben. Wer allerdings temporeiche Ermittlungen und eine letztlich logische und plausible Auflösung eines Falls möchte, wird möglicherweise Schwierigkeiten mit diesem Krimi haben.