November 1956, in Ungarn erhebt sich gerade das Volk gegen die russische Besatzungsmacht. Währenddessen bereitet sich in der damaligen DDR, in Storkow, einem kleinen Ort östlich von Berlin, eine 12. Klasse auf die Abiturprüfungen in einem halben Jahr vor. Man hört verbotenerweise RIAS, den Rundfunk im amerikanischen Sektor, und darin die Nachricht, das zu Gedenkminuten aufgerufen wird, als Zeichen der Solidarität. Spontan beschließen die Schüler: das machen wir auch! Der nächste Lehrer betritt den Klassenraum, stellt Fragen, keiner antwortet. Fünf quälende Minuten lang. Danach geht erst einmal alles weiter seinen Gang, aber die Obrigkeit ist informiert worden, und die schlägt mit unerbittlicher Härte zurück. Von Konterrevolution ist die Rede, von Verrat am Sozialismus. Man will den Initiator ermitteln um an ihm ein Exempel zu statuieren. Doch die Klasse hält zusammen, schweigt, keiner verrät den anderen. Und so eskaliert die Geschichte immer weiter, bis dass die komplette Klasse der Schule verwiesen wird und kein Abitur in der DDR mehr machen darf. Bis auf vier Klassenkameradinnen beschließen daher alle, über die damals noch offene Grenze nach West-Berlin zu fliehen um dort ihr Glück zu suchen. Dafür müssen sie alles aufgeben: Familie, Freunde und Freundinnen, die vertraute Heimat. Und während die Geschichte in der DDR totgeschwiegen wird, schlägt sie im Westen hohe Wellen, die Medien stürzen sich auf die Geschichte und berichten umfangreich über die sensationelle Flucht einer fast vollständigen Schulklasse.Mit dem Abstand von ein paar Jahrzehnten beleuchtet Dietrich Garstka, einer der damals geflüchteten Schüler, die Ereignisse von damals. Er spricht mit ehemaligen Mitschülern und Lehreren, zitiert umfangreich aus den Akten die damals angelegt wurden. Und wirft somit einen manchmal melancholischen, immer aber sehr berührenden Blick zurück auf eine Zeit, die das Leben der Klasse sprichwörtlich auf den Kopf gestellt hat. Das Buch ist eine Lehrstunde über das Leben in einer Diktatur, über Zusammenhalt und füreinander einstehen. Es ist auch für uns, die wir in einer Demokratie leben dürfen, immer noch wichtig zu lesen, denn es zeigt auf, was alles auf dem Spiel stehen kann wenn man sich nicht so verhält wie die Obrigkeit es wünscht und dafür bestraft zu werden droht. Es gibt aktuell Länder in Europa, in denen ich mir auch heute ähnliches sehr gut vorstellen kann. Leider. Für mich satte fünf von fünf Sterne.