Besprechung vom 07.01.2019
Etwas ist faul im Staate Dänemark
Krimis in Kürze: Jens Henrik Jensen, Louise Penny und Matthew Richardson
Den Autor gab es schon einmal vor zehn Jahren, aber da war der 1963 geborene Journalist Jens Henrik Jensen mit seiner Ina-Portland-Reihe nicht so erfolgreich auf dem deutschen Markt. Mit der "Oxen"-Trilogie hat er sich nun im Rennen um die verwaiste Planstelle Stieg-Larsson-Nachfolge nicht schlecht plaziert. Vor allem der dritte und letzte Band "Gefrorene Flammen" (dtv, 591 S., br. 16,90 [Euro]) zeigt sein Können, die Vorgängerbände "Das erste Opfer" und "Der dunkle Mann" zusammenzubinden und den Thriller so eigenständig zu gestalten, dass man ihn auch ohne Kenntnis der beiden ersten Bände lesen kann.
Ein geheimer Staat im Staat hat Dänemark im Griff: Seit dem Mittelalter wird das Land vom Danehof gesteuert, einem Bund, dem Adelige und Bürgerliche vorstehen, wohlhabende Juristen, Wirtschaftsführer, um mittels Personalpolitik den Kurs des Landes subkutan zu bestimmen. Wenn der dreiköpfige Rat eine "endgültige Lösung" beschließt, heißt das Mord, gerne in der Variante vorgetäuschter Selbstmord oder Unfall. In eine solche Personalentscheidung verheddert sich als Zeuge der ehemalige Elitekämpfer Niels Oxen, der höchstdekorierte Soldat des Landes (Jugoslawien, Afghanistan, die ganze Packung), im ersten Band. Der Tote, stellt sich viel später heraus, ist Mitglied im Danehof. Oxen ist da längst am Ende, posttraumatisch zertrümmert, und lebt als Waldläufer. Seine bürgerliche Existenz mit Frau und Kind hat man zerstört, weil er Fragen zur Kriegsschuld von Vorgesetzten stellte. Nun will er ein Leben zurück, das er so recht nie hatte, und vor allem will er Kontakt zu seinem Sohn. Zusammen mit dem Geheimdienstchef Axel Mossmann und dessen Mitarbeiterin Margrethe Franck - beide sind im dritten Durchgang entlassen - sinnt Oxen auf Rache, Mossmann auf Zerschlagung des Danehofs. Die Geschichte hat eine politische und eine (zeit)geschichtliche Dimension sowie alle Malaisen, an denen derzeitige Demokratien laborieren. Und sie hat Figuren, die sich einprägen, etwa die beinamputierte Agentin Franck, die nach einer Schießerei im Dienst ein halbes Bein, aber nicht ihren Lebenswillen verlor.
Die Kanadierin Louise Penny hatte auch zu kämpfen, als sie "Hinter den Kiefern" (Kampa Verlag, 495 S., br., 16,90 [Euro]) schrieb - ihr Mann lag im Sterben. Auch die heute Sechzigjährige war schon in Deutschland mit Krimis vertreten und kehrt nun nach längerer Übersetzungspause zurück. Zum Entzücken mancher Kritiker, die sich für einen Stil erwärmen, der reichlich hausbacken ist. Pennys Protagonist ist groß, edel und schön. Er heißt Gamache, Armand Gamache. Er ist Chef der Sûreté de Québec. Und das wird dem Leser sehr oft mitgeteilt, bis es ihm zu den Ohren herauskommt.
Gamache besitzt ein Ferienhaus in Three Pines, einem Schnuckeldorf in den Wäldern, in dem eines Tages eine schwarz verhüllte schwarze Gestalt auftaucht, die sich tagelang nicht vom Fleck rührt. Alsbald identifiziert man die Figur, die das Dorf in Angst versetzt, als "Cobrador", eine - fiktiv - im spanischen Kulturkreis verbreitete Schreckensfigur, die als Eintreiber monetärer und moralischer Schuld fungiert, bis der Schuldner aufgibt. Es folgt der Leichenfund in der Kirche. Und das alles, wo es doch bei Gamache zu dieser Zeit um die ganz großen Linien gehen sollte, den Umbau des Polizeiapparats für den Endkampf gegen die Drogenkartelle, den man so gut wie verloren hat. Via Kanada wird tonnenweise Fentanyl gen Amerika geschleust. Three Pines, schreibt Penny im Nachwort, sei "eine Haltung" - "Toleranz statt Hass". Der Krimi als moralische Besserungsanstalt? Doch, das geht. Aber es ist wahnsinnig fad.
Um wieder auf die Spur des Bösen zu kommen, kann man sich von Matthew Richardsons klassischem Spionagethriller "Niemand kennt deinen Namen" (Rowohlt, 396 S., br., 9,99 [Euro]) ins London der Gegenwart versetzen lassen. Und also in eine Metropole, die von Terror heimgesucht wird. Ein wichtiger Gefangener mit Wissen um einen Maulwurf auf britischer Seite - für die Geheimdienste ein Islamist oberster Etage, für die liberale Presse ein Säulenheiliger der Aussöhnung - wird beim Verhör angeschossen. Die Sache wird einem Agenten in die Schuhe geschoben, der zu den besten seines Fachs gehört und doch entlassen wird: Solomon Vine.
Der startet einen privaten Rehabilitierungsfeldzug, derweil ein möglicher Doppelagent in die Hände der Islamisten gefallen ist. Dass dieser Gabriel Wilde Vine die vielleicht doch nicht so zauberhafte Rose ausgespannt hat, macht die Sache nicht einfacher. Vine enttarnt eine Operation, der hundertfünfzig Zivilisten zum Opfer fielen, ein juristisch von der Regierung abgesegnetes Kriegsverbrechen. Und dann droht ein Attentat auf alle jene, die das alles angerichtet haben. Auch wenn Vine mitten in Action-Szenen etwas hölzern "Unbehagen verspürt", für einen Debütanten hat Richardson seine Sache gut gemacht.
HANNES HINTERMEIER
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.