Guter USA-kritischer Roman des Nobelpreisträgers
Das Original erschien 2019 unter dem Titel Tiempos recios. In dem Buch geht um die politischen Ereignisse im Guatemala der 50-er Jahre, als die USA unter Präsident Eisenhower durch die CIA den demokratisch gewählten Präsidenten Jacobo Árbenz stürzen half. Hauptperson ist die hübsche Guatemaltekin Marta Borrero Parra, die mit 15 geschwängert wird. Von ihren Eltern hatte sie bereits als Baby den Titel Miss Guatemala erhalten und wird im Roman auch Martita genannt. Mit ca. 20 Jahren verlässt sie Mann und Kind, um die Geliebte des Präsidenten Carlos Castillo Armas zu werden, des Nachfolgers von Árbenz. Drei Jahre später wird Armas ermordet.Die Geschichte wird nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt, sondern Vargas Llosa springt zwischen Zeiten und Personen hin und her. Anders, als aus Vargas Llosas früheren Werken (z.B. "Das Gespräch in der Kathedrale"), durchaus vertraut, sind die einzelnen Sequenzen jedoch optisch getrennt.Sehr deutlich kritisiert Vargas Llosa die Politik und Einflussnahme der USA. Anders als die amerikanische Administration und Presse in jenen Jahren, sieht er in Árbenz keinen Kommunisten, sondern einen liberalen Demokraten, womit er der Wahrheit deutlich näher sein dürfte. Den Irrtum der Amerikaner erklärt er damit, dass deren Meinung durch den Public Relations Manager Edward Bernays im Auftrag der United Fruit Company regelrecht gelenkt wurde.Die Namen der Protagonisten und die Zeitläufte der Geschichte sind historisch genau, die genauen Abläufe und die Befindlichkeiten der Personen dürften der Fantasie des Autors entsprungen sein. Und wie in "Das Fest des Ziegenbocks" spielt der Geheimdienstchef Rafael Trujillos, Abbes García, wieder eine äußerst unsympathische Hauptrolle.Bisweilen kommt der Roman daher wie eine sehr detaillierte, geschichtswissenschaftliche Vorlesung. Vargas Llosa hat sich sehr genau in die Geschichte Guatemalas und eingearbeitet. Diese Genauigkeit habe ich an manchen Stellen als hinderlich für den Lesefluss empfunden. Ein Register der auftretenden Personen und ihrer Rolle im Geschehen fehlt, hätte dem Roman aber insofern gut getan, als es dem Leser geholfen hätte. Den 32 Kapiteln ist ein "Vorher" voran- und ein "Nachher" hintangestellt. Das "Vorher" behandelt die Machenschaften der United Fruit Company, das "Nachher" beinhaltet ein Gespräch mit der über achtzigjährigen echten Marta Borrero Parras, ein euphemistisch ausgedrückt sehr seltsamen Dame.Vargas Llosa gibt sich in diesem Roman gegenüber den Vereinigten Staaten sehr kritisch, sein geradezu vernichtendes Fazit: "Unterm Strich verzögerte die US-amerikanische Intervention in Guatemala die Demokratisierung des Kontinents um Jahrzehnte und kostete Tausende von Menschen das Leben, denn sie trug erheblich dazu bei, den Mythos von der bewaffneten Revolution und vom Sozialismus in ganz Lateinamerika zu verbreiten." Damit dürfte Vargas Llosa Recht haben, bedenkt man den Einfluss, den diese Ereignisse auf Fidel Castro und Che Guevara, der sich ja zu der Zeit im Land aufhielt, genommen haben.