Während meines Studiums der Altertumswissenschaften musste ich mich recht häufig mit der antiken Figur Homer auseinandersetzen. Seitdem sind einige Jahre vergangen, doch das Streitthema Homer bzw. die sog. homerische Frage existiert fort. Daher fand ich es ungemein spannend, das 100 Seiten Werk der Altphilologin Melanie Möller zu eben diesen Thema lesen zu dürfen. Darin fasst sie pointiert wie kurzweilig den aktuellen Wissensstand zusammen. Hierbei hat es mich überrascht, dass sich die Forscher weiterhin in zwei Lager teilen, das der Unitarier und das der Analytiker. Sprich, die eine Gruppe glaubt an Homer als eine lebende Künstlerpersönlichkeit und die andere Gruppe vermutet mehrere Schreiber hinter diesem Namen. Nichtsdestotrotz markieren Homers Epen Ilias und Odyssee, welche Möller in zwei ausführlichen Kapiteln betrachtet, den Übergang von der mündlichen Tradierung (sog. Oral Poetry) zur Schriftkultur. Ob Homer nun aus Smyrna, Chios oder den Orient stammt und wirklich blind gewesen ist, weiß keiner der Wissenschaftler so wirklich zu beantworten, weil zeitgenössische Quellen einfach Mangelware sind. Davon abgesehen kann man die Leistung des Rhapsoden aus dem 8. Jh. v. Chr. nicht hoch genug bewerten. Denn bis heute lernen Schüler und Studenten im altsprachlichen Unterricht Homers Welt kennen. Die Heroen und Götter aus seinen Werken Ilias und Odyssee sind noch immer in aller Munde und das nicht nur in der Welt der Künstler und Intellektuellen. Gerade weil die homerischen Epen menschliche Tugenden und Schwächen gleichermaßen abbilden, werden sie hoffentlich niemals in Vergessenheit geraten. Schon allein um bestimmte Bezeichnungen, wie Trojanisches Pferd, Achillesferse oder Odyssee, zu verstehen, hilft die spannende Lektüre dieser antiken Mammutwerke sehr. Zuvor empfehle ich zur Einführung die erquickende Lektüre aus dem Reclam Verlag. Schon das minimalistische Cover mit der homerischen Begriffssammlung und dem weißen Trojanischen Pferd verführt zur näheren Betrachtung. Im Buchinneren ergänzen Fotos, Grafiken und Karten den luziden Text, der Laien wie Kenner gleichermaßen anspricht. Ich wusste bis zur Lektüre des Büchleins beispielsweise nicht, dass es noch die sog. Pseudohomerica gibt.