Im herbstlichen Los Angeles irgendwann in den 1950er Jahren hilft Privatdetektiv Philip Marlowe dem Betrunkenen Terry Lennox vor einem Tanzclub wieder auf die Beine, als dieser von einer Frau unliebsam aus dem Auto gestossen wird. Marlowe ist ein Mann mit harter Schale aber weichem Herz und so baut sich über die nächsten Monate eine lockere Freundschaft zwischen dem Ermittler und dem Mann, dessen eine Gesichtshälfte schlimm durch Narben verunstaltet ist, auf. Man trifft sich regelmäßig zum Genuss von "Gimlets" bis eines Abends im Frühsommer Lennox in Marlowe's Wohnung auftaucht und ihn um einen großen Gefallen bittet: Er befände sich in großen Schwierigkeiten und müsse sofort das Land verlassen... ob Marlowe ihn mit dem Auto nach Tijuana in Mexiko fahren könne? Marlowe stimmt unter der Voraussetzung zu, dass ihm Lennox nicht die Gründe dafür nenne... Die Fahrt verläuft reibungslos. Nach der Rückkehr nach Los Angeles erfährt der Privatdetektiv, dass Lennox's Ehefrau Sylvia brutal ermordet wurde. Es dauert nicht lange, bis Marlowe wegen Fluchthilfe eines Mordverdächtigen inhaftiert wird. Der Eindruck, den der Detektiv über die Monate von Lennox gewann, passt nicht zu den Vorwürfen und so beginnt eine Suche nach dem Mörder dieser Frau...Die allerdings durch das Auftauchen der Schwester der Verstorbenen sowie einer Suche nach einem verschwundenen ebenfalls sehr dem Alkohol zugeneigten Schriftsteller unterbrochen wird. Langsam kristallisieren sich Verbindungen heraus, die Marlowe ein weiteres Mal in ein Nest von korrupten Polizisten, zwielichtigen Verbrechern und manipulierenden Kapitalisten führen.Es ist der sechste Fall des lakonischen Einzelgängers Philip Marlowe, den uns Raymond Chandler (1888 - 1959) hier im Jahre 1953 präsentiert. "Der lange Abschied" genießt unter den Chandler-Freunden den Ruf, der vielleicht beste Roman der Reihe zu sein oder aber zumindest gleichauf mit Chandler's erstem Marlowe-Roman "The Big Sleep" ("Der tiefe Schlaf", 1939) zu liegen. Der Schreibstil besticht mit seiner Kühle und fein gezeichneten Gesellschaftskritik. Die Hauptfigur ist ein Mann, dem es eher um soziale Gerechtigkeit geht als um die Überführung des Mörders. Der Privatermittler setzt sich ohne Rücksicht auf Konsequenzen für die Schwachen ein, hält ethische Maßstäbe aufrecht, versucht Leid zu lindern und das zu retten, was vom zerbrechlichen menschlichen Wesen noch zu retten ist. Der Roman, der 1955 den "Edgar Allan Poe Award" gewann, hat auch sehr autobiographische Züge: Chandler schrieb den Roman als seine Frau Cissie im Sterben lag. Weiters verarbeitete er in dem Roman seine beiden großen Schwächen - den Alkohol und den Zweifel an der Wertigkeit seiner Arbeit. Ein sehr interessanter Beitrag aus der Ecke der "hard-boiled school of detective fiction". Die beinah beschauliche Art der Erzählung passt so wunderbar zu der Figur des Privatdetektiven und die Einflechtung von gesellschaftskritischen Beobachtungen mit dem trockenen Humor steigert sich langsam zu einer sehr gelungenen Auflösung dieses Falles Lennox.