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Patriot

Meine Geschichte

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Die eindringliche und bewegende Autobiographie eines furchtlosen Oppositionsführers, der den höchsten Preis für seine Überzeugungen zahlen musste.

Nawalny begann mit der Arbeit an PATRIOT im Jahr 2020, kurz nach dem Giftanschlag auf ihn. Es ist die umfassende Geschichte seines Lebens: seine Jugend, seine Berufung zum Aktivisten, seine Ehe und Familie sowie sein Einsatz für Demokratie und Freiheit in Russland angesichts einer Supermacht, die ihn unbedingt zum Schweigen bringen will. PATRIOT zeigt Nawalnys absolute Überzeugung: Der Wandel ist nicht aufzuhalten. Er wird kommen.
Anschaulich und mit spannenden Details, einschließlich bislang unveröffentlichter Aufzeichnungen aus dem Gefängnis, schildert Nawalny seinen politischen Werdegang, die zahlreichen Anschläge auf ihn und seine Vertrauten und die hartnäckigen Kampagnen, die er und sein Team gegen das zunehmend diktatorische Regime zu führen wagten.
Nawalnys Witwe, Julija Nawalnaja, sagt: "Dieses Buch ist nicht nur das Zeugnis von Alexejs Leben, sondern auch von seinem standhaften Kampf gegen die Diktatur - ein Kampf, für den er alles gab, einschließlich sein Leben. Die Leser werden den Mann kennenlernen, den ich zutiefst geliebt habe - einen Mann von umfassender Integrität und unbeugsamem Mut. Seine Geschichte wird nicht nur sein Andenken ehren, sondern auch andere Menschen inspirieren, sich für das Richtige einzusetzen und nie die Werte aus den Augen zu verlieren, die wirklich zählen."
Geschrieben mit der Leidenschaft, dem Esprit, der Aufrichtigkeit und dem Wagemut, für die er zu Recht bewundert wurde, ist PATRIOT Nawalnys Abschiedsbrief an die Welt: eine bewegende Darstellung seiner letzten Jahre, die er im brutalsten Gefängnis der Welt verbrachte, eine Mahnung, warum die Grundsätze der individuellen Freiheit so wichtig sind, und ein mitreißender Aufruf, das Werk fortzuführen, für das er sein Leben gab.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
22. Oktober 2024
Sprache
deutsch
Auflage
4. Auflage
Seitenanzahl
560
Autor/Autorin
Alexej Nawalny, Alexei Nawalny
Übersetzung
Rita Gravert, Norbert Juraschitz, Karin Schuler
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Produktart
gebunden
Abbildungen
16-seitiger Tafelteil mit 38 farbigen Abbildungen
Gewicht
764 g
Größe (L/B/H)
219/152/48 mm
ISBN
9783103976823

Portrait

Alexej Nawalny

Alexej Nawalny war ein russischer Anti-Korruptions-Aktivist, Oppositionsführer und politischer Gefangener, der international Respekt und Anerkennung für seine Arbeit gefunden hat. Er erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen, unter anderem den Sacharow-Preis für geistige Freiheit, den Menschenrechtspreis, den das Europäische Parlament jährlich verleiht. Er starb im Jahr 2024.

Rita Gravert, Jahrgang 1989, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Spanische Philologie mit Lateinamerikanistik und Interdisziplinäre Lateinamerikastudien in erlin. Sie übersetzt seit fünf Jahren Sachbücher und Jugendbücher aus dem Englischen und Spanischen, u. a. von Oliver Bullough, C. J. Daugherty, Florence de Changy, George Monbiot, Drew Ramsay, Emma Southon, Marisa Reichardt und K. L. Walther.

Norbert Juraschitz, Jahrgang 1963, studierte Osteuropäische Geschichte und Ostslavische Philologie in Tübingen. Er übersetzt seit über 30 Jahren historische und politische Sachbücher u. a. von Frank Dikötter, Jung Chang, Noam Chomsky, Christopher Clark, Peter Frankopan, Katja Hoyer, Yaroslav Hrytsak, Parag Khanna, Julia Lovell, Kristina Spohr, Adam Tooze.

Karin Schuler, geboren 1965, studierte Latein und Geschichte in Tübingen und Bonn. Sie übersetzt seit über 30 Jahren Sachbücher aus dem Englischen, u. a. John Barton, Howard French, Ivan Krastev, Ian Mortimer, Philippa Perry, Janina Ramirez, Ulinka Rublack, und Frank Trentmann.


Pressestimmen

Ein unglaubliches Buch. Markus Lanz, Lanz & Precht

Nawalny ist ein gleichermaßen berührendes wie verstörendes Buch über sein Leben als Putins Gegner gelungen. Leicht lesbar, an vielen Stellen durchzogen von Selbstironie und Galgenhumor. Andrea Lieblang, Deutschlandfunk (Andruck)

Ein Abschiedsbrief, der eindringlich dafür plädiert, den Widerstand gegen Putin nicht aufzugeben. Die ZEIT Sachbuch-Bestenliste

Sein Abschiedsbrief in Buchform. Der Spiegel

Man schmunzelt mit Gänsehaut über den beißenden Humor, mit dem er die Verhältnisse in den verschiedenen Gefängnissen beschreibt. Tessa Szyszkowitz, Falter

eine Liebeserklärung an Russland, seine Familie und zugleich die Chronik eines angekündigten Todes Titel, Thesen, Temperamente ARD

Das Buch liest sich wie ein Krimi, (. . .) die Bilder sind noch im Kopf, jetzt verschlingt man gebannt Zeile um Zeile über all das, was sich damals der Weltöffentlichkeit entzog. Christine Hamel, Bayern 2 - Die Welt am Morgen

Das Zeugnis eines Ausnahmemenschen, den man als heiteren Superhelden und humorbegabten Märtyrer charakterisieren kann. Kerstin Holm, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Mit humoristischer Distanz beschreibt er, wie er es schaffte, in Einzelhaft nicht verrückt zu werden. Florian Kellermann, Deutschlandfunk Kultur "Fazit"

Er gibt in der Gesamtschau auf sein Leben auch intime Einblicke. Eindrücke vom Schicksal eines Mannes, der wie kein anderer (. . .) ein mafioses System unter Putin anprangerte. Ulf Mauder, dpa

Eines wollte Nawalny mit Sicherheit nicht: umsonst sterben. Patriot ist sein Vermächtnis. Thoralf Cleven, RND

Das nun veröffentlichte Buch ist nicht nur Autobiografie, sondern auch Nawalnys letzte große Abrechnung mit seinem Feind im Kreml. Hannah Wagner, Tagesspiegel

Das Buch, das postum erscheint, erklärt nicht alles, aber es kann ein Mahnmal werden gegen Putins mörderische Politik. Silke Bigalke, Süddeutsche Zeitung

Nawalnys Autobiografie ist ein durch und durch politisches Buch - und zugleich ist es eine große Liebesgeschichte. Friedrich Schmidt und Reinhard Veser, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Besprechung vom 27.10.2024

Tragische Irrtümer bis zuletzt

Die Autobiographie Alexej Nawalnyjs ist ein Dokument der maßlosen Selbstüberschätzung. Und man versteht, warum der mutige Oppositionelle scheiterte.

Von Nikolai Klimeniouk

Das autobiographische Buch des im Februar im Straflager ermordeten russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalnyj trägt den Titel "Patriot", hat mehr als 500 Seiten und erscheint zeitgleich in 20 Sprachen - zu einer Zeit, in der Nawalnyjs politisches Erbe zunehmend ins Wanken gerät. Die von ihm gegründete Antikorruptionsstiftung FBK wird von Skandalen erschüttert. Im März 2023 musste sein wichtigster Mitstreiter Leonid Wolkow als Stiftungschef zurücktreten. Zuvor war bekannt geworden, dass er sich hinter den Kulissen für die Aufhebung von Sanktionen gegen einige Oligarchen einsetzt, für deren Sanktionierung FBK öffentlich plädiert.

Im Frühjahr 2024 brüskierte Nawalnyjs Team die liberale Öffentlichkeit mit der Dokuserie "Verräter" über die Neunzigerjahre. Sie dämonisiert Jelzin und die Reformer ganz im Stil von Putins Propaganda als Hauptverantwortliche für Russlands Misere und spricht der Gesellschaft jede Eigenverantwortung ab. Boris Simin, der wichtigste Förderer der FBK, gab bekannt, dass er seine Unterstützung einstelle, weil er kein Vertrauen mehr habe. Der Politiker und Aktivist Maxim Katz beschuldigt die FBK in einer Recherche, Großspenden von russischen Bankiers zu empfangen, die Fonds in Milliardenhöhe veruntreut haben sollen. Im Gegenzug soll sie dabei geholfen haben, sich im Westen als Opfer politisch motivierter Verfolgung zu präsentieren. In diesem Kontext soll das Buch an die Ursprünge erinnern, an den furchtlosen Oppositionellen, der sein Leben im Kampf gegen Korruption und Putin geopfert hat.

Dabei ist der Text vor allem selbstentlarvend. Er ist ein Dokument maßloser Selbstüberschätzung, ein Zeugnis der Unfähigkeit, die eigene Gesellschaft kritisch zu betrachten und das Regime zu verstehen, gegen das der Autor so heldenhaft gekämpft hat. "Das russische Volk ist gut, unsere Führer sind entsetzlich" - diese Banalität wird in dem Buch wörtlich und in verschiedenen Variationen unzählige Male wiederholt. "Das größte Verbrechen Putins und seiner Spießgesellen" besteht laut Nawalnyj darin, "dass sie nichts Gutes für unser Land getan haben". Russlands Kriege kommen in diesem Buch so wenig vor wie in diesem Satz, der mitten in Russlands Krieg gegen die Ukraine geschrieben wurde. Für Russlandkenner wird Nawalnyjs Autobiographie vor allem wegen ihrer Leerstellen und unbeantworteten Fragen interessant sein, ansonsten findet sich darin kaum etwas, das Nawalnyj nicht schon in Interviews und in sozialen Medien erzählt hatte.

Wer sich mit der Materie nicht so gut auskennt, sollte das Buch mit Vorsicht genießen. "Patriot" zeichnet ein extrem verzerrtes Bild von Russland und der Person Nawalnyjs, selbst was die Fakten seiner Biographie betrifft. Die vielen Übersetzungsfehler machen es dem Leser nicht leichter. Sämtliche Übersetzungen des Buches, auch die deutsche, basieren auf der englischen Version, die speziell für westliche Leser erstellt wurde. So wird aus Nawalnyjs Juradiplom eine Doktorarbeit und aus den rund 100.000 Euro, die sechzehn prominente Russen der Stiftung FBK gespendet haben, werden sechzehn Einzelspenden von mindestens 100.000 Euro. Vor dem Hintergrund der ständigen Prahlerei fällt das aber nicht weiter auf.

Den größten Teil der Autobiographie hat Nawalnyj nach Angaben seines Teams 2020 in Deutschland geschrieben, während er sich von dem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte. Dieser Teil wurde um die Tagebücher ergänzt, die er im Gefängnis führte. Nach der kurzen Einleitung, in der er den Anschlag und seine Rekonvaleszenz beschreibt, widmet sich Nawalnyj seinem politischen Werdegang, legt seine Ansichten dar und äußert Reue über seine Fehler, etwa darüber, dass er Gorbatschow einst gehasst und Jelzin respektiert habe.

"Das Lager derer, die Gorbatschow hassten, zerfiel in diejenigen, die die Reformen ablehnten, und jene, die das langsame Tempo bei ihrer Einführung kritisierten. Letztere, zu denen ich zählte, hassten ihn wesentlich inbrünstiger: Wir hatten ein Ziel, dass wir anderswo verwirklicht sahen: völlige Meinungsfreiheit, Kapitalismus und Demokratie. Und entsprechend eifrig hackten wir auf ihm herum." Als Gorbatschow seinen Reformkurs ausrief, war Nawalnyj neun Jahre alt. Er war sechzehn, als die Sowjetunion aufgelöst wurde und Gorbatschow seine Macht verlor. Nawalnyj führte ein normales sowjetisches Leben in einer militärischen Siedlung unweit von Moskau (sein Vater war Offizier), seine politische Tätigkeit bestand in den Gesprächen mit seiner Mutter vor dem Fernseher und gelegentlichen Auseinandersetzungen mit den Lehrern.

Je weiter man liest, desto weniger wundert man sich über Passagen wie diese. Meistens versteckt Nawalnyj Selbstlob hinter Selbstironie: "Häufig bekomme ich zu hören, dass die rasche Art und Weise, in der ich lernte, mir das Internet zunutze zu machen, eine fast schon einzigartige politische Begabung beweise. Dass ich ein Visionär gewesen sei, der den Anbruch einer neuen Ära prophezeit habe. Das ist natürlich schmeichelhaft, aber weit gefehlt." Doch wenn es um seine Entscheidung geht, nach Russland zurückzukehren, hat diese Selbstüberschätzung fatale Folgen.

2013 wurde Nawalnyj in einem Schauprozess zu einer Haftstrafe verurteilt, aber schon am nächsten Tag nach einer spontanen Massendemonstration wieder freigelassen. Auch wenn er es nicht direkt sagt, wird deutlich, dass Nawalnyj mit einem ähnlichen Ausgang 2020 rechnete und sogar hoffte, dass Demonstrationen gegen seine Verhaftung das Regime zu Fall bringen könnten. Tatsächlich kam es in mehreren russischen Städten zu Protesten, doch deren einzige Konsequenz waren Massenverhaftungen. Einen ähnlichen Effekt erhoffte er sich von dem Enthüllungsfilm über Putins Palast, den sein Team am Tag nach der Verhaftung veröffentlichte. Doch Millionen Klicks brachten keine Millionen auf die Straße. Und Putin hatte nach der Annexion der Krim vor nichts mehr Angst. Für Nawalnyj war die Annexion nie besonders wichtig. Im Buch wird sie nur in einem Zusammenhang erwähnt: dass Putin zuvor Nawalnyjs Blog mit jährlich 20 Millionen Besuchern gelöscht und andere unabhängige Medien zerschlagen habe.

Doch zurück zu den Fehlern. Später im Leben lernte Nawalnyj, Gorbatschow zu respektieren, weil er unbestechlich gewesen sei, wogegen Jelzin keine echte ideologische Motivation gehabt habe, sondern lediglich von der Macht- und Habgier getrieben worden sei. Gier ist im Grunde die einzige Motivation, die Nawalnyj bei all seinen politischen Gegnern erkennt. Seinen Glauben an Jelzin verlor Nawalnyj 1996, als er in Deutschland ein Auto kaufte und dann mehrere Tage beim Zollamt in Moskau verbrachte, um es zu registrieren, und dabei die Dysfunktionalität des Staates hautnah erlebte. Seitenlang schildert Nawalnyj seine unangenehmen Erfahrungen in der Behörde, die ihn desillusionierten, und man kommt aus dem Staunen nicht heraus: Im selben Jahr 1996 endete der erste Tschetschenienkrieg, in dem nach unterschiedlichen Angaben bis zu 30.000 Kombattanten und zwischen 30.000 und 120.000 Zivilisten starben, alles Bürger der Russischen Föderation. Eine recht auffällige Lücke in einem Buch mit dem Titel "Patriot".

Das Wort "Tschetschenien" kommt darin nur einmal vor, und zwar als Zitat. Nawalnyj prangert vor Gericht die Lügen des russischen Staates an und nennt eine davon: "Sie erzählen mir, dass niemand Russen in Tschetschenien unterdrückt." Dabei spielt das Thema Tschetschenien in Nawalnyjs politischer Biographie eine nicht unerhebliche Rolle. In seinem 2006 gegründeten Blog schreibt er viel über die Tschetschenen, vergleicht sie mit Tieren, ruft dazu auf, sie aus ethnisch mehrheitlich russischen Regionen zu vertreiben, verspottet den tschetschenischen Volkstrauertag, der mit dem sowjetischen und russischen "Tag des Verteidigers des Vaterlandes" zusammenfällt. Am 23. Februar 1944 wurden auf Stalins Befehl alle Tschetschenen aus ihrer Heimat nach Zentralasien verschleppt: "Wenn man jetzt nicht alle Tschetschenen, aber nur ausgewählte 'Vertreter der Öffentlichkeit' nach Kasachstan deportieren würde, wäre das auch Genozid?"

Die Not der Russen sei der einzige interethnische Konflikt gewesen, schreibt Nawalnyj, an dem er in seiner Jugend Interesse zeigte. Der Zerfall der Sowjetunion habe die Russen zur größten geteilten Nation Europas gemacht. Mit derselben Formulierung begründet Putin die Annexion der Krim und den Überfall auf die Ukraine. Sie tauchte auch prominent in einem Dokument auf, das Nawalnyj 2007 unterschrieb: dem Manifest der Nationalen Russischen Befreiungsbewegung Narod (Das Volk), gegründet im Juni 2007 von Nawalnyj, dem Schriftsteller Sachar Prilepin und dem Petersburger Regionalpolitiker Sergej Guljaew.

Das Gründungsdatum ist wichtig. Im Dezember 2007 wurde Nawalnyj aus der liberalen Partei Jabloko ausgeschlossen, laut Partei wegen seines Nationalismus, laut Nawalnyj, weil er den Parteivorsitzenden Grigori Jawlinski kritisiert habe. Für Narod drehte Nawalnyj auch seine ersten viralen Videos, die immer noch im Netz stehen. In einem präsentiert er sich als Zahnarzt: "Alles, was uns stört, soll durch Deportation entfernt werden." Dabei wird gezeigt, wie Skinheads asiatisch aussehende Menschen durch die Straße jagen. In einem anderen ruft er die Russen dazu auf, sich gegen Islamisten zu bewaffnen, die er als Ungeziefer darstellt. Die Fragen nach seiner nationalistischen Vergangenheit tut Nawalnyj als eine lästige Macke der westlichen Journalisten ab, die sich bei dem bösen Wort Skinheads vorstellen; ihm sei es aber lediglich darum gegangen, möglichst breite Koalitionen gegen Putin zu schaffen.

Während Nawalnyj den Ausschluss aus Jabloko detailliert schildert, wird die Bewegung Narod nicht einmal erwähnt, ebenso wenig Nawalnyjs einstiger Freund und politischer Weggefährte Prilepin, der später zu einem Ideologen des Kriegs gegen die Ukraine wurde und dort sogar eine Einheit der sogenannten Separatisten kommandierte. Nachdem Nawalnyj mehrere Seiten dem Bus Nr. 26 widmet, mit dem er als Student nach Moskau fährt, und sich wortreich dafür entschuldigt, dass er in Gedanken gesündigt habe, indem er Jelzin mochte, fallen solche Leerstellen besonders auf.

Das Tagebuch, das Nawalnyj im Gefängnis führt, ist der stärkste Teil von "Patriot", es zeugt von Nawalnyjs großem Mut angesichts des unmenschlichen Systems. Nachdem er in einem absurden Prozess nach dem anderen zu immer längeren Strafen verurteilt wurde, wird ihm zunehmend klar, dass er die Haft nicht mehr lebendig verlassen wird. Er findet Hoffnung in der Religion, wobei für ihn sein "schönes Russland der Zukunft" und das Reich Gottes irgendwie verschmelzen. Es ist eine erschütternde Lektüre. Es gibt viele starke literarische und publizistische Berichte aus russischen Gefängnissen. Was Nawalnyj von den meisten Autoren solcher Berichte unterscheidet, ist, dass er sich absolut freiwillig hineinbegeben hat.

In seinem letzten Tagebucheintrag schreibt er über ukrainische Zivilisten, die unter Bomben in Mariupol sterben: "Ich habe meine Entscheidungen getroffen, doch diese Leute haben einfach nur ihr Leben gelebt." Es ist wirklich tragisch, das Russlands bekanntester Oppositionspolitiker nur in seinen letzten Tagen an das Leid denkt, welches sein Land in der Welt verursacht, und bis zu seinem Ende nicht verstanden hat, warum.

Alexej Nawalny: "Patriot. Meine Geschichte". Aus dem Englischen von Rita Gravert, Norbert Juraschitz, Karin Schuler. S. Fischer Verlag

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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Von Renas Wortwelt am 02.12.2024

Die Geschichte eines beeindruckenden Mannes, von ihm selbst erzählt

Allein schon das Wissen, dass er dieses Buch unter anderem im Gefängnis, in dem er schließlich sogar den Tod fand, schrieb, macht diese Biografie zu einem erschütternden Dokument. Es schildert das Leben eines faszinierenden Charakters, eines Mannes, der die Welt bewegte und um den die Welt trauert. Das Buch beschreibt vor allem seinen Kampf gegen den Staat, gegen das System, gegen Korruption und Unterdrückung. Dabei ist es ihm wichtig, den Unterschied deutlich zu machen: Sein Kampf gilt nicht seinem Land, sondern dem Staat: Ich liebe mein Land, aber ich hasse diesen Staat. Die Biografie ist in vier Abschnitte geteilt. Der erste, recht kurze Teil trägt den Titel Dem Tode nahe, worin er die Ereignisse beschreibt vor und nach dem Giftanschlag auf ihn 2020. Diesen Teil schrieb er während seiner anschließenden Genesung in Deutschland. In Teil 2 mit dem Titel Heranwachsen erzählt er von seiner Herkunft und seinem Werdegang, seiner Entwicklung zu einem überzeugten Aktivisten. Der dritte Teil Die Arbeit widmet sich seinem Kampf gegen den Staat, gegen Korruption und Unterdrückung, mit all den Mitteln, die ihm dieser Staat da noch lässt. Hier gibt Nawalny einen klaren Einblick in die anfangs noch subtilen, später immer drastischeren und offen aggressiven Methoden des Staates oder genauer Putins, die wachsende und stärker werdende Opposition im Land im Keim zu ersticken, mit dem Ziel, diese und insbesondere Nawalny zum Schweigen zu bringen. Er beschreibt, wie er ein Netzwerk schuf, das vor allem über die Sozialen Netzwerke kommuniziert, nachdem die freie Presse und freie Meinungsäußerung quasi ausgeschaltet bzw. unmöglich wurde. Der vierte Teil schließlich beschreibt seine Jahre im Gefängnis nach seiner Rückkehr aus Deutschland, nach der Genesung von dem Giftanschlag. Unterteilt nach Jahren erlebt man seinen Alltag, die Grausamkeit, die Foltermethoden anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen. Dass er damals freiwillig nach Russland zurückkehrte, wohl wissend was ihn dort erwartete, konnten und können bis heute viele Menschen nicht verstehen. Das Buch gibt eine Antwort darauf: Für ihn als Anführer einer Opposition, einer Bewegung war es unverzichtbar, vor Ort, dort zu sein und dort eben diese Bewegung weiter zu führen, auch aus dem Gefängnis. Bei der Lektüre ergibt sich ein zwiegespaltener Eindruck. Einmal der Aktivist auf der einen Seite, auf der anderen der Mensch, Ehemann, Vater und Freund. Es wird deutlich, dass er stets all diese Beziehungen seiner Arbeit, seiner Überzeugung, seinem Kampf für die Demokratie und gegen den korrupten Staat unterordnete. Auch kommt immer wieder seine besondere Art von Ironie, sein unverkennbarer Humor zum Vorschein in dieser Biografie, sein Humor, der ihm oft die Kraft gab, nicht zu verzweifeln während seines täglichen Kampfes gegen die Provokationen einer kleinkarierten, korrupten Staatsgewalt. Das Buch, sein Vermächtnis, sein Abschiedsbrief, erklärt nicht alles, was diesen ungewöhnlichen Mann, diesen besonderen Menschen ausgemacht hat, erklärt nicht jeden Widerspruch in seiner Entwicklung. Aber es wird bleiben, als Mahnung für die Freiheit, als Aufruf, seinen Kampf fortzuführen. Seiner Frau ist die Veröffentlichung des Buches am Ende zu verdanken, einige Ergänzungen hat sie hinzugefügt, einige Kommentare. Alexej Nawalny Patriot aus dem Englischen von Rita Gravert, Norbert Juraschitz und Karin Schuler S. Fischer, Oktober 2024 Gebundene Ausgabe, 543 Seiten, 28,00 €
Von Nini 62 am 07.11.2024

Absolut lesenswert

Russische Politik und Lebensweise sehr verständlich und auch humorvoll Beschrieben.