War ich vor kurzem noch felsenfest davon überzeugt, dass Vanlife überhaupt keine Option für mich wäre, bin ich, nachdem mir dieser kleine Schatz in die Hände geflogen ist, gar nicht mehr so sicher. Nicht komplett aussteigen, aber den gesamten Jahresurlaub zu nutzen und mich auch auf eine kulinarische Rundereise begeben, das schwirrt mir jetzt heftig im Kopf herum.
Ganz eindeutig verantwortlich dafür ist die Autorin, der es wohl einmal so ähnlich erging, denn "Hätte mir jemand im Sommer vor zwei Jahren erzählt, dass ich bereits ein Jahr später in den Pyrenäen gemolken, Austern im Atlantik gefischt, zwischen Olivenbäumen gepicknickt, Cider direkt aus dem Fass getrunken oder auf hoher See in Norwegen geangelt hätte, so ich wohl von meinem Bürostuhl gefallen." Die Begeisterung von Vicky, ich nenne die Autorin beim Vornamen, weil sie ihre Leser auch mit du anspricht, was mir unheimlich gut gefallen hat, weil es solche Wohlfühlatmosphäre schafft, ist mir hier auf jeder Seite regelrecht entgegen gesprungen.
Als Leser erhält man eine Kombination aus Reisebericht und Kochbuch. Los geht es mit einigen Worten zu ihr und ihrer Geschichte vom Aussteigen aus dem Job und Verwirklichen ihres Lebenstraumes, in Zukunft andere Menschen zu bewirten und kulinarisch glücklich zu machen. Dann widmet sie sich der Nachhaltigkeit, die in diesem Buch lobenswert hoch geschrieben wird und gibt zahlreiche Tipps dazu und erklärt anschließend auch die Besonderheiten der Van Küche kurz, bevor es noch einen kleinen Exkurs zur Bedeutung von Gewürzen gibt. Dann geht es auch schon direkt an die, mit herrlichen Reiseerinnerungen, die sich dazwischen finden, aufgepeppten Rezepte, die in die vier Abschnitte Frühstück, Hauptgerichte, Snacks und Salate sowie Desserts und Kuchen aufgeteilt sind. Knapp 80 herrliche Rezepte, die man übrigens über einen Download Code im Buch auch als kostenlose PDF Datei für unterwegs bekommen kann, damit man diesen Schatz an Buch nicht mit auf Reisen nehmen muss.
Das Konzept ist richtig toll. Die Autorin nimmt einen mit auf ihre Europareise. Man erfährt von ihren Unternehmungen und Erlebnissen. Immer wieder werden ihre kulinarischen Entdeckungen auch sofort im sich anschließenden Rezept verarbeitet, manchmal passt dieses auch einfach nur zu dem Land, aus dem sie berichtet hat. Nicht selten habe ich mich bei den enthusiastischen Beschreibungen und den tollen Fotos dazu direkt vor Ort gewünscht und meine Liste, der Dinge, die ich noch einmal erlebt haben und der Orte, die ich unbedingt bereisen möchte, ist erheblich angewachsen. Zu gerne wäre ich so z.B. bei dem Kochkurs in Brügge mit dabei gewesen und hätte das Kakaoexperiment mitgemacht, würde gerne Carlo von der Kaffeerösterei in den Bergen selbst einmal kennenlernen dürfen oder habe einen wässrigen Mund bekommen, wenn sie von der einen oder anderen Käseverkostung berichtet, bei der die in der Käserei auf der Insel Pag nur eine davon ist. Fest vorgenommen habe ich mir auch für einen meiner nächsten Urlaube ihre Erfahrung beim Konzept Woofing frech zu kopieren. Zu klasse hören sich Esel melken, kleine Ziegen mit Zusatzmilch füttern und dann nach getaner körperlicher Arbeit auf der Tierfarm in den Pyrenaen mit an den Tisch einer so herzlichen Gastfamilie sitzen und so ganz tief ins Leben der Einheimischen eintauchen zu dürfen, an.
Besonders hochwertig ist auch die Aufmachung und das Buch daher wirklich jeden Cent wert. Die festen Buchseiten, der stabile Einband, das tolle, ansprechende Layout mit der harmonischen Farbgebung, die vielen ausdrucksstarken Bilder, alles zusammen ein kleines Highlight, das so richtig etwas hermacht. Hier bekommt man nicht nur Fernweh, Lust auf kulinarische Experimente sondern blättert und schwelgt auch einfach nur immer wieder gern.
Jedem Rezept ist eine Doppelseite gewidmet. Auf der einen Seite wird einem zunächst in schön geschwungenen Buchstaben der Name des Gerichts präsentiert, daneben befinden sich Symbole, mit Hilfe derer man auf den ersten Blick erkennt, wie schnell man sein kann, wie einfach oder schwer die Zubereitung ist oder andere Informationen, wie z.B. ob es vegetarisch ist oder ob man mit einer Kochstelle auskommt. Anschließend gibt es einige einleitende Sätze, die etwas darüber verraten, warum die Autorin das Gericht ausgewählt hat bzw. was das Besondere daran ist. Darunter links aufgelistet findet man dann die Zutatenliste, rechts daneben leicht verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen, die auch für nicht so versierte Köche Gelingen versprechen. Stets gibt es auch noch einen sich anschließenden Tipp. So erfährt man z.B. wie sich das Gericht abwandeln oder auch der Rest am nächsten Tag abwechslungsreich weiterverarbeiten lässt. Besonders wertvoll, denn alle Rezepte sind für zwei Personen angegeben, angedacht eben um sich durch die Zubereitung für zwei Tage nicht nur Zeit, sondern auch nachhaltig Energie sparen zu können. Bei mir hat es bei den leckeren Sachen allerdings bisher so gut wie nie Reste gegeben. Die komplette andere Seite nimmt eine hochwertige Fotografie des angerichteten Gerichts ein, die einem fast das Gefühl vermittelt, dass man den gefüllten Teller vor sich stehen hat und nur noch zugreifen braucht.
Da das natürlich nicht geht, musste ich sofort mich sofort ans selber kochen machen und alle Rezepte, die ich bisher ausprobiert habe, sind auf Anhieb etwas geworden und haben äußerst lecker geschmeckt. Losgelegt habe noch gleich am ersten Tag mit der Portugiesischen Fischboulette und ich frage mich, warum ich bisher nie auf die Idee gekommen bin, solche aus Fisch, statt aus Hackfleisch zuzubereiten, schmecken sie einfach nur köstlich und sind super schnell zubereitet. Die werden meinen Speiseplan in Zukunft sicher noch ganz oft bereichern, ebenso wie die Schwedischen Hackbällchen oder auch die Kroatischen Cevape, gewöhnliche Fleischküchlein gehören ab jetzt wohl eher der Vergangenheit an, haben diese Variationen doch einfach viel mehr Pfiff. Eigentlich bin ich bisher auch nicht der große Fan von Waffeln gewesen, weil ich eher für deftig als süß zu haben bin, ganz besonders am Frühstückstisch. Aber die gehen auch herzhaft, toll aufgepimpt mit Kräutern oder getrockneten Tomatenstückchen im Teig und daher waren sie in der Version Frühstückswaffeln aus dem Buch beim letzten Sonntagsfrühstück eine super schmackhafte Abwechslung. Ich liebe Eier und daher wurde ich auch mit den Rezepten für Shakshuka, lecker mit Feta und Joghurt, für Spanisches Omelette oder auch mit French Toast glücklich satt. Ich bin überzeugt, dass die Linguine mit Kirchtomaten und Schrimps mit solchen frisch vom Fangboot, wie sie die Autorin genießen konnte, sicher noch um einiges besser geschmeckt hätten, aber auch so ist das ein klasse und vor allem schnelles Rezept. Bei der griechischen Pita mit Spinat und Feta, habe ich den Spinat durch Mangold ersetzt, weil ich den erntefrisch aus dem eigenen Garten holen konnte, und in der Abwandlung waren alle am Tisch begeistert. Ebenfalls mit auf die Liste der Rezepte, die es bestimmt einmal wieder geben wird, haben es der Flammkuchen mit Brie, Birne und Walnüssen, ach ja nie hätte ich gedacht, dass es so viele verschiedene an Walnüssen gibt, und das herzerwärmende Gulasch, mit der so genialen Brotkruste obendrauf geschafft. Käsespätzle schwäbische Art wird es demnächst bei mir geben. Allerdings möchte ich dafür erst einen Wochenendausflug ins Allgäu machen und mir auch direkt bei einem kleinen Erzeuger leckeren Bergkäse dafür besorgen.
Aber nun genug von meinen Berichten. Die Gerichte sind super abwechslungsreich, klar Vicky war auf einer Rundreise und so dürfen hier einige Länderküchen ihre Besonderheiten mit einfließen lassen. Richtig toll ist, dass alles mit möglichst wenig Geschirr und daher auch mit wenig Arbeitsaufwand beim Aufräumen hinterher verbunden ist. Für den Cmaper konzipiert, aber daheim doch auch nie verkehrt. Es gibt wohl auch extra deswegen bei Bedarf alternativ Backofen- und Omnia-Ofenangaben. Die Zutatenlisten sind meist recht überschaubar, bei Besonderem gibt es Alternativvorschläge, da muss man auch vorab keine langen Shoppingtouren für Exotisches unternehmen.
Diejenigen, die so wie sie auf Reisen gehen wollen, finden am Ende auch noch Abschnitte sowohl zur Reiseplanung als auch zur Einrichtung einer Van-Küche. Toll ist auch, dass es eine Aufstellung der Orte mit zugehörigen Kontaktadressen gibt, von denen sie berichtet hat. Man kann es ihr also tatsächlich nachmachen. Klar gibt es auch ein Rezeptverzeichnis, einmal nach ABC, einmal nach Zutaten.
Alles in allem bin ich absolut begeistert und kann mich nur wiederholen, tatsächlich ein kleiner Schatz in meinem Kochbuchregal, den ich sicher noch ganz oft in der Hand haben werde, sei es bei der Urlaubsplanung, oder bei der Planung, was es denn Leckeres zu essen geben soll. Völlig begeisterte fünf Sterne, wenn es gäbe wäre das tatsächlich ein Kandidat für sechs.