Besprechung vom 13.02.2025
Von einem Bibliotheksversteck in den Bergen
Im Stil der echt Erfolgreichen: Kat Menschik illustriert Monika Helfers Vater-Buch
Der Weg der Illustratorin Kat Menschik ist eng mit dieser Zeitung verknüpft, aber längst ist die Berliner Illustratorin ein Star eigenen Rechts. Nichts dokumentiert das schöner als ihre Reihe "Kat Menschiks Lieblingsbücher" beim Galiani Verlag, die seit neun Jahren erscheint und entweder Wiederabdrucke berühmter Literatur bietet, etwa von Kafka, Shakespeare, Poe oder Aitmatow, oder von der Herausgeberin selbst verfasste Bücher (über Tomatenanbau, den Kaukasus, Hiddensee) oder - und darunter finden sich die bislang erfolgreichsten Bände der Serie - eigens für sie geschriebene Texte von Volker Kutscher, Mark Bennecke, Jacqueline Kornmüller und Maxim Leo. Allen diesen Bänden gemeinsam ist ihr handlich-schlankes Format, ihr schmaler Umfang und ihr breiter Anteil ganzseitiger Menschik-Illustrationen. Zuzüglich farbenfroh gestalteter Titelbilder, die gerne drucktechnisch veredelte Besonderheiten bieten
Wenn nun "Der Bücherfreund", ein Buch der Erfolgsautorin Monika Helfer, in handlich-schlankem Format und schmalem Umfang, mit breitem Anteil von Menschik-Illustrationen (neun ganzseitige, eine doppelseitige, bei nicht einmal achtzig Buchseiten) und einem raffiniert in Blindprägung ausgestatteten gezeichneten Cover erscheint, sollte man meinen, es mit der neuen Folge der "Lieblingsbücher" zu tun zu haben. Aber die kommt erst im März ("Andersens Märchen"). Hier hat der Hanser Verlag Gestaltungspiraterie betrieben und sich dazu gleich auch noch die Illustratorin gekapert. Was allerdings insofern legitim ist, als Jo Lendle, heute Verleger bei Hanser und bis 2014 bei DuMont, bei letzterem Verlag mehrere von Menschik illustrierte Erzählungen von Haruki Murakami erscheinen ließ, die ihrerseits die Galiani-Reihe inspiriert haben. Und offen gestanden: Was interessiert verlegerische Herkunft, solange wir schöne Bücher bekommen? Der Markt ist für alle drei von Kat Menschiks Illustrationskunst profitierenden Häuser groß genug.
Zusammen mit Monika Helfer, deren autofiktionale Bücher seit "Die Bagage" im Jahr 2020 zu einem Phänomen im deutschen Buchhandel geworden sind, hat Hanser also ein publikumswirksames Traumduo am Start. Wobei das, was Helfer mit ihren Familiengeschichten erzählt, eher als Albtraum daherkommt - aber immer mit dem Blick einer Autorin, die hinter den schweren Schicksalen ihrer Protagonisten das Liebenswerte und Lebensbejahende sieht. So auch in der jetzt erschienenen Erzählung, in dem gleich der erste Satz den Buchtitel erklärt: "Mein Vati war der Bücherfreund." Damit ist das Folgende in den Kontext der Helfer'schen Familiengeschichte eingefügt, als weiterer Mosaikstein zur Bagage-Komplettierung. Diesmal in einem Tonfall verfasst, der dem kindlichen Ich im Alter von um die zehn Jahre entspricht, das da erzählt: staunend und unschuldig. "Der Bücherfreund" taugt auch und gerade für junge Leser.
Invalid kommt der Vater aus dem Zweiten Weltkrieg, und um die neugegründete Familie zu ernähren, betreibt er in den Bergen ein Genesungsheim für andere Invalide. Bis die Mitteilung kommt, es werde geschlossen: "Die Invaliden seien inzwischen entweder gesund oder gestorben. Das stimmte ja auch." Aber es stimmt nicht im Fall des Vaters, der sich nicht nur der Existenzgrundlage beraubt sieht, sondern auch um die heimeigene Bibliothek fürchtet. Um sie zu retten, vergräbt er sie. Und das ist auch schon fast die ganze Geschichte. Erzählt wurde sie schon einmal: im Roman "Vati" von 2021.
Dass dieses Porträt eines um seine Lieblingsbücher besorgten Mannes die Buchliebhaberin Kat Menschik begeistert hat, ist verständlich. Mit freier Motivwahl kommentiert sie das Geschehen mehr, als dass sie es illustrierte. Und wie sie dabei das Druckprinzip der Reserve benutzt, ist sehenswert. Leicht reserviert muss man auch sein, weil hier alter Wein in neue Schläuche kommt. ANDREAS PLATTHAUS
Monika Helfer: "Der Bücherfreund". Illustriert von Kat Menschik.
Hanser Verlag, München 2025.
78 S., 10 Abb., geb.
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