Besprechung vom 24.03.2025
Hier gibt es Musik auf die Augen
Moni Port und Anke Kuhl versammeln eine illustre Illustratorenschar, um Musik von Beethoven bis Blumfeld als Comics zu gestalten. Eine Playlist hat "Mukkekukke" auch.
Die deutsch-deutsche Vereinigung findet auf Seite 78 statt. Sehr diskret wird dort wie nebenbei in einem Panel zusammengeführt, was trennen kann und konnte. Eine Schokocreme kann eben manchmal mehr sagen als tausend Worte! Ein Musikstück kann das auch. Wozu also noch Bilder hinzufügen? Wer sich das schon wegen der Zillionen schlechter Musikclips im Netz fragt, kann sich bei "Mukkekukke" entspannen: Erstens, weil die Bilder sich hier absolut nicht bewegen. Im besten Fall aber bewegen sie ihre Betrachter. Und zweitens, weil meistens, wie in Mawils Comic "Der Reiter" zum gleichnamigen Klavierstück von Dimitri Kabalewski, das Bild höchst unerwartete Fährten aufnimmt, wie Schokocreme, Pferdemist, Geschichte.
Für "Mukkekukke", neunzehn "Comics zu Musik", haben die beiden Herausgeberinnen, die Frankfurter Illustratorinnen und Autorinnen Moni Port und Anke Kuhl, nicht nur herausragende Kollegen des grafischen Erzählens gewonnen. Das Vorwort der beiden und ein Cover, das Kuhl als Bild im Bild gestaltet hat, geben zudem den Gebrauch vor: Gemütliches Plätzchen, Buch und Endgerät braucht es, um die Kombination aus Bild, Musik und Text zu genießen. Dem diabolischen Blick der Tiere auf dem Titel nach dürfte auch die Lautstärke der Bluetoothbox eine Rolle spielen, Kuhl selbst hat schließlich unter anderem "Hurra" von den Ärzten als Tier-WG ins Bild gesetzt. "Mukkekukke" ist als Wohlfühlprogramm gedacht, auch wenn so mancher Song und manches Blatt auch der Melancholie oder dem Zweifel, auch der Wut Raum gibt.
Beinahe alle Interpretationen gewinnen der Musik und dem Text eine neue Geschichte, eine neue Perspektive ab. Axel Scheffler hat sich für sein Comicdebüt Rossinis "Katzenduett" auf nur einer Doppelseite als vergnügliche Abendunterhaltung einer Mäuseschar ausgemalt. Rotraut Susanne Berner zeigt an Götz Alsmanns "Rhythmus, Text und Melodie" in Kontrastfarben und im Spiel mit der Kunstgeschichte eine ganz andere Seite als in Klassikern wie ihren Wimmelbüchern. Port, die wie Kuhl als Herausgeberin das Privileg hat, zwei Songs zu illustrieren, schafft das Kunststück, das graue Himmelszelt der Lassie Singers plausibel in knalliges Lila und Pink zu tauchen, und Tanja Esch beschafft dem nicht sehr variantenreichen "Nein" von Andreas Dorau einen Kontext, den jedes Kind wiedererkennen kann. QR-Codes für Streamingplattformen sind hinten in das Buch gedruckt, damit die Leser die Playlist parallel hören können. Die Aufmachung ist lässig großzügig, mit schwerem Papier und gleich zwei Lesebändchen. Ein Glossar erläutert die Komponisten und Texter und stellt die Comickünstler in Fragebögen vor.
"Mukkekukke" ist in jeder Hinsicht eine feine Arbeit. Daran liegt es also nicht, dass die doppelte Musik- und Bildanthologie nicht restlos überzeugt. Bewusst haben Kuhl und Port keine Altersangabe gemacht, Musik, so ihre Überzeugung, sei immer und sowieso für alle da. Das stimmt, nur ist die Auswahl, die von Barockmusik bis Blumfeld reicht, extrem breit. "Mukkekukke", ein hübsches Sprachspiel mit der "Mugge", der musikalischen Gelegenheitstätigkeit, richtet sich also wenigstens an alle, die musikalisch so neugierig sind, dass weder unbekannte Musik noch das Alter selbst jüngerer Songs sie abschreckt. Denn auch die sind vom Geschmack der schon fortgeschritten erwachsenen Künstler geprägt. Und so entsteht in der Playlist eine beinahe zu bunte Mischung, die sich auf dem Papier wiederholt. Man ertappt sich dabei, an das schöne Tocotronic-Comicalbum zu denken, das 2020 bei Ventil erschienen ist: Musik aus einem Guss plus verschiedene künstlerische Handschriften oder umgekehrt ein Comic zur Playlist einer Illustratorin hätte das Gucken von Mucke womöglich reizvoller gemacht. So liegt gerade in der großartigen künstlerischen Vielfalt dieses Bandes auch eine - süße - Last. EVA-MARIA MAGEL
Anke Kuhl, Moni Port (Hrsg.): "Mukkekukke". Comics zu Musik.
Reprodukt, Berlin 2024. 152 S., geb., 20,- Euro. Ab 8 J.
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