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Prima facie

Roman. »Für alle, die nicht länger nach den Gesetzen des Patriarchats leben wollen.« Mareike Fallwickl

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»Unerschrocken und zeitlos. Ein absolutes Must-read! « Chris Whitaker, Autor des Weltbestsellers »Von hier bis zum Anfang«
Das Gesetz ist dazu da, ALLE Menschen zu beschützen. Oder? Tessa Ensler ist die auffälligste unter den jungen Strafverteidiger:innen Londons. Sie entstammt nicht einer jener angesehenen Familien mit old money. Sie hat sich aus einem Klima häuslicher Gewalt befreit und aus der Arbeiter:innenklasse hochgearbeitet. Heute verteidigt sie unter anderem Männer, die wegen sexueller Übergriffe angeklagt sind. Ihre Art, Zeuginnen die mutmaßlichen Opfer ins Kreuzverhör zu nehmen, ist legendär und wird zu ihrer Eintrittskarte in den inner circle der Anwaltskammern. Es scheint, als hätte sie es geschafft. Doch dann passiert etwas, das ihren Glauben an das Gesetz tief erschüttert, und sie entscheidet sich, selbst in den Zeug:innenstand zu treten.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
29. Januar 2024
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
349
Autor/Autorin
Suzie Miller
Übersetzung
Katharina Martl
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Originalsprache
englisch
Produktart
gebunden
Gewicht
453 g
Größe (L/B/H)
195/126/32 mm
ISBN
9783910372214

Portrait

Suzie Miller

Suzie Miller, geboren in Melbourne, hat Jahre lang als Strafverteidigerin gearbeitet, mit besonderem Augenmerk auf sexuellen Missbrauch. Ihr Stück, auf dem ihr Roman basiert, gewann alle großen Preise Australiens sowie den Olivier Award, die wichtigste Auszeichnung im britischen Theater. »Prima facie« ist ihr erster Roman.

Pressestimmen

» Prima Facie ist so viel mehr als ein Roman: eine scharfe Anklage, ein Schritt-für-Schritt-Prozess, in dem wir uns für Zeugen halten, bis wir erkennen, dass wir alle schuldig sind. So muss Literatur sein, die etwas bewirken will. Dieses Buch ist für alle, die nicht länger nach den Gesetzen des Patriarchats leben wollen! « Mareike Fallwickl

»Unerschrocken und zeitlos. Ein absolutes Must-read! « Chris Whitaker, Autor des Weltbestsellers »Von hier bis zum Anfang«

Besprechung vom 17.03.2024

Frauen im Kreuzverhör

In Suzie Millers "Prima Facie" wird eine Anwältin, die erfolgreich Angeklagte in Sexualstrafverfahren verteidigt hat, selbst zum Opfer einer Vergewaltigung.

Von Simona Pfister

Nur etwa ein Prozent der Frauen, die in Deutschland vergewaltigt werden, sehen den Täter vor Gericht verurteilt. Sehr viele scheuen sich davor, den Übergriff überhaupt anzuzeigen, und wenn sie es dann doch tun, endet der Gerichtsprozess meist mit einem Freispruch für den Vergewaltiger. Woran das liegt, will die australische Theaterautorin Suzie Miller in ihrem ersten Roman "Prima Facie" zeigen. Dessen Protagonistin Tessa Ensler ist ausgerechnet Strafverteidigerin, die sich einen Namen damit gemacht hat, Angeklagte in Sexualstrafverfahren freizukriegen. Gleich zu Beginn des Buches demonstriert sie ihr Talent, ein Gewaltopfer im Kreuzverhör als unglaubwürdig darzustellen. Doch dann gerät eine Verabredung mit ihrem vornehmen Anwaltskollegen Julian außer Kontrolle, er vergewaltigt Tessa in ihrer eigenen Wohnung. Von da an verfolgt man, mit welchen Abgründen sich Tessa bei der Anzeige und im Gerichtssaal konfrontiert sieht, und wie sich dabei sämtliche Annahmen, die sie über das Justizsystem und auch über sich selbst getroffen hat, Stück für Stück in Luft auflösen.

Inhaltlich deckt sich "Prima Facie" weitgehend mit Millers gleichnamigen Theaterstück, das mehrfach ausgezeichnet wurde. Doch viele Stärken des Dramas gehen im Roman verloren. Das fängt schon mit der Erzählstimme an: Im One-Woman-Bühnenstück erzählt Tessa dynamisch und schlüpft in alle Rollen. Im Roman wirkt die direkte Anrede wie ein Selbstgespräch. Auch die nun deutlicher ausgearbeitete Hintergrundgeschichte Tessas und die Dialoge wirken oft ungelenk und enthalten viele Wiederholungen.

Besonders störend ist aber, wie jede Gefühlsregung Tessas erklärt und ausgewalzt wird, meist plump, oft widersprüchlich. Dabei geht nicht nur die Subtilität verloren; die Ambivalenz, die die Figur der Tessa so stark machen könnte - von der Verteidigerin zur Angegriffenen, von arm zu reich, von tougher Anwältin zu einer an sich zweifelnden Frau - und die auf der Bühne durch verschiedene, sich schnell abwechselnde Tonlagen und Sprechweisen zur Geltung kommt: Sie wird im Roman durch oft floskelhafte Erklärungen geradezu plattgewalzt.

Erst mit und nach der Vergewaltigung kommt der Text paradoxerweise zur Ruhe, wird konzentrierter und klarer. Miller gelingt es hier, den Leserinnen nahezubringen, wie sich die Minuten, Stunden, Tage nach der Vergewaltigung für Tessa anfühlen, wie sie sich Vorwürfe macht, wie sie sogar ihrer eigenen Erinnerung misstraut, wie sie mit sich ringt, ob sie Julian anzeigen will - sie weiß ja, wie niedrig die Verurteilungsrate ist und was eine Anzeige bedeutet: Sie muss ihre Vergewaltigung immer und immer wieder schildern, zuerst bei der Polizei, dann im Krankenhaus und schließlich vor Gericht, wo sie nicht mehr als Verteidigerin, sondern als Zeugin auftritt.

Dabei erkennt Tessa auf unangenehmste Weise, dass das Justizsystem nicht neutral zwischen zwei Versionen einer Geschichte entscheidet, wie sie es sich früher als Verteidigerin in einer Art vorauseilenden Entschuldigung selbst erzählte, sondern die meist weiblichen Opfer einer Vergewaltigung dadurch benachteiligt, dass diese vor Gericht als Zeuginnen der Anklage aussagen müssen und daher einem Kreuzverhör ausgesetzt sind, während die meist männlichen Täter als Angeklagte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen können. Es ist also gewissermaßen das Opfer, das sich verteidigen muss, und nicht der Täter. Weil sich aber stets Ungereimtheiten in der Erinnerung eines Menschen finden lassen, insbesondere bei einem traumatisierten Vergewaltigungsopfer - "Wir Menschen denken alle, die Wahrheit über unsere Leben zu kennen, aber wir alle machen Fehler", sagte Tessa zu Beginn einmal -, ist es ein Leichtes, die Zeugin als unglaubwürdig und damit den Angeklagten als unschuldig erscheinen zu lassen. Konsequenterweise stellt der Moment dieser Erkenntnis den zeitlichen Angelpunkt der Erzählung dar: Alle Kapitel, die früher spielen, sind mit "davor" oder "damals" überschrieben, alles, was danach folgt, mit "später".

Bevor Miller 2010 beschloss, Theaterstücke zu schreiben, beriet sie als Anwältin Opfer von sexuellen Übergriffen. Mit den hohen Fallzahlen und den niedrigen Verurteilungsraten konfrontiert, sei ihr auf einmal klar geworden, dass die geltende Strafprozessordnung geradezu verhindere, dass Frauen Übergriffe anzeigen und Täter verurteilt werden. "Das ganze Rechtssystem wurde von Generationen von reichen, weißen, heterosexuellen Männern geformt, die ein Interesse daran haben, solche Fälle von ihrer Seite aus zu sehen. Nichts in der Justiz geht aber von der gelebten Perspektive der Frauen aus", sagte die heute 60-jährige Autorin in einem Interview. Deswegen hätte sie beschlossen, darüber zu schreiben.

So wichtig dieses Vorhaben und Millers Hinweise sind, so wenig überzeugt die Prosaumsetzung des Stoffes. Man merkt dem Text von Beginn an sein Ziel allzu deutlich an, und am Ende verfällt er wieder in das Muster des Anfangs, wenn Tessa im Gerichtssaal eine seltsam gekünstelte und überdeutliche Rede hält. Nach der Lektüre wünscht man sich, anstatt des Romans schlicht den Theatertext in Buchform gelesen - oder aber auf die Filmversion gewartet zu haben: Miller hat ihr Stück auch noch für die Leinwand adaptiert; Cynthia Erivo ("Harriet") soll die Rolle der Tessa spielen.

Dennoch gelingt es Miller, mit "Prima Facie" auf zentrale Probleme der Strafprozessordnung hinzuweisen, wenn es um Sexualdelikte geht. Lösungen liegen zwar nicht auf der Hand, da die Unschuldsvermutung gilt, aber immerhin ließe sich die fortgesetzte Retraumatisierung der Opfer mit konsequenten Videovernehmungen verhindern. Der Erfolg des Theaterstücks hat in England bereits Reformen in diese Richtung angestoßen. Und wer weiß, welche Diskussionen das Buch in Deutschland entfacht. Literarisch aber fällt es ab.

Suzie Miller: "Prima Facie". Roman. Aus dem Englischen von Katharina Martl. Kjona Verlag, 352 Seiten

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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Von Leseschneckchen am 02.02.2025

Jede Frau, egal wo sie herkommt, sollte den Mut haben, zu kämpfen

Spannung pur! Ein unglaublich gutes und wichtiges Buch! Eine Frau kämpft für ihr Recht und um die Machtverhältnisse. Tessa hat sich von ganz unten alles allein aufgebaut. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen. Dank ihrer Kämpfernatur und mithilfe eines Stipendiums hat sie es bis zum Studium nach Cambridge und schließlich bis zur erfolgreichen Strafverteidigerin geschafft. Zwischen all den besser gestellten Menschen hat Tessa für ihren Traum und ihre Zukunft gekämpft, während es vielen anderen allein durch ihre vermögenden, erfolgreichen Eltern in den Schoß gefallen ist. Tessa ist verdammt gut auf ihrem Gebiet und wird von ihren Kollegen geschätzt. Sie widmet sich vielen unterschiedlichen Straftaten, darunter auch viele Sexualverbrechen. Selbst bei den hoffnungslosen Fällen ist sie mehr als erfolgreich. Bis zu dem Tag, an dem sie selbst zum Opfer eines solchen Verbrechens wird. Hat sie die Kraft auch diesmal für ihr eigenes Recht und zum Schutz anderer Frauen zu kämpfen? Riskiert sie dafür ihre Karriere? Ich habe das Buch durch eine Empfehlung entdeckt und war sofort angetan von dieser ausgesprochen spannenden und wichtigen Story. Tessa stammt aus einer einfachen Familie. Der Vater verlässt Frau und Kinder, als sie noch klein war. Der Bruder wird selbst zum Straftäter. Auch wenn dieser nur für einen Freund hingehalten hat, bekommt er durch seine Vorstrafe eine Akte, die sich niemals wieder löschen lässt. All das weckt in Tessa den Ehrgeiz, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen. Sie löst ihre Fälle mit viel Feingefühl und unglaublichem Scharfblick. Sie ist beliebt, erfolgreich und nominiert für eine Auszeichnung. Doch dann passiert das, womit sie niemals gerechnet hätte und womit sie fast täglich zu tun hat. Sie wird selbst Opfer einer Vergewaltigung. Ich konnte jedes Gefühlsstadion von Tessa hautnah miterleben. Die Autorin schreibt sehr real und absolut authentisch. Nur zu gut konnte ich Tessas Zweifel verstehen. Sie hätte genügend Gründe, um zu schweigen und das schreckliche Erlebnis unter den Tisch zu kehren. Diese Geschichte setzt ein Zeichen. Sie steht für die Rechte der Frauen und verdeutlicht uns, wie wichtig es ist, Mut zu haben, das Unaussprechliche auszusprechen und damit sich selbst und andere vor weiteren Unglücken zu schützen. Der Mann, gegen den Tessa sich zur Wehr setzen muss, ist kein Dahergelaufener, sondern einer, der zu den nötigen Mitteln auch unglaublich viel Macht besitzt. Hier kämpft nicht nur eine Frau gegen einen Mann, sondern Arm gegen Reich. Ich habe gezittert und die Luft angehalten, so fesselnd hat die Autorin diesen Fall geschildert. Für mich war diese Geschichte eine der spannendsten, die ich je gelesen habe. Ich spreche hiermit eine ausdrückliche Leseempfehlung aus. Dieses Buch ist ein Must-Read für alle Frauen und jene, die sich nach Gerechtigkeit sehnen. Der Roman Schuldlos Schuldig von Susan Sloan hat mich vor vielen Jahren genauso gepackt. Er ist wie dieses Buch hier, eines, welches ich nie vergessen werde.
LovelyBooks-BewertungVon Hannah_wulf_3232 am 19.01.2025
Der Schreibstil ist fesselnd. Die Autorin hat (laut Wikipedia) selbst mal als Strafverteidigerin gearbeitet, das erklärt die detaillierte, authentische Beschreibung der Arbeit als Strafverteidigerin in London. Allein das ist schon sehr interessant. Die Story ist mitreißend: eine toughe Strafverteidigerin wird selbst Opfer einer Vergewaltigung - und entscheidet sich zur Anzeige. Der absolut positive Effekt bei diesem Roman ist, dass klar wird, wie hart es für Frauen ist, eine Vergewaltigung anzuzeigen und dann das Ermittlungs- und Gerichtsverfahren durchzustehen. MIr ist beim Lesen sehr deutlich geworden, wie viele Frauen in der Situation der Hauptfigur sich gegen eine Anzeige entschieden hätten. Wahrscheinlich die meisten, vor allem in Berufen, in denen Frauen besonders stark wirken müssen und nicht als Opfer wahrgenommen werden sollten. Nur leider wurde mir der Roman, vor allem zu Ende, zu "lehrbuchhaft". Trotzdem eine Leseempfehlung, vor allem als Geschenk für Menschen, die  immer noch behaupten, dass Frauen sich sexuelle Übergriffe "einfach ausdenken" könnten.