Besprechung vom 10.03.2025
Wie Deutschland Anschluss hält
Ein Sammelband von 43 Autoren
Das vorliegende Sammelwerk mit dem Titel "Zukunft im Widerspruch - Wie Deutschland sich jetzt neu erfinden muss" ist kein Grabgesang auf die kränkelnde deutsche Wirtschaft. Es ist auch keine Politiker-Beschimpfung. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Deutschland schlecht aufgestellt ist für die Zukunft, will das Autorenteam - darunter prominente Namen wie Udo Di Fabio, Theodor Weimer, Michael Hüther, Auma Obama und Claudia Kemfert - aufzeigen, wie Deutschland wieder Anschluss an die Weltspitze finden kann.
Die 43 Autoren, die vorwiegend unternehmerisch tätig sind, zeigen in gut lesbaren relativ kurzen Beiträgen, welche Zielkonflikte zu lösen sind und dass es hierzu mutiger, aber auch unbequemer Entscheidungen bedarf. Es geht um die Suche nach einem tragfähigen Wirtschaftsmodell, um den Wiederaufbau der maroden Infrastruktur unseres Landes sowie um die adäquate Reaktion auf den Aufstieg der populistischen Parteien, die Generalüberholung des Bildungssystems, den Umgang mit dem demographischen Wandel und nicht zuletzt um die für die Zukunft unverzichtbare bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.
Das Buch gliedert sich in die drei Teile Unternehmen, Arbeitsmarkt und Bildung. Im ersten Teil "Unternehmen" zeigen die Autoren auf, wie der Klimawandel, die geopolitischen Konflikte sowie eine zunehmende Regulierung und die damit verbundene Bürokratie das Umfeld der Wirtschaft verändern. Hier stößt man auf manches schon Bekannte. Interessant sind die Aussagen zum Umgang mit dem Aufstieg der populistischen Parteien und zur Frage, wie sich Unternehmen angesichts zunehmend polarisierter Debatten verhalten sollten. In der neuen Realität müssten die Unternehmen lernen, geschickt zu navigieren zwischen Wachstums- und Gewinnstreben auf der einen Seite und Nachhaltigkeit sowie gesellschaftlichem Engagement (neudeutsch: Good Corporate Citizenship) auf der anderen Seite.
Im zweiten Teil "Arbeitsmarkt" skizziert das Autorenteam, wie der demographische Wandel zu einem bedenklichen Fachkräftemangel mit viel Arbeit, aber wenig Bewerbern führt. Die lesenswerten Beiträge umreißen, wie sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf diese wohl anhaltende neue Situation einstellen sollten und auch welche Rolle die Künstliche Intelligenz dabei spielen dürfte.
Im dritten Teil "Bildung" konstatieren die Autoren, dass es den Schulen und Hochschulen nur unzureichend gelinge, junge Menschen bedarfsgerecht auf das Berufsleben vorzubereiten, und noch weniger, Gründergeist zu entwickeln. Die Folgen für unsere Wirtschaft seien fatal, denn die Gründerquote bleibe viel zu gering, und viel Potential liege brach gerade bei Menschen mit Migrationshintergrund. Die Autoren machen ausgehend von ihren Auslandserfahrungen neuartige Vorschläge dazu, wie sich dies ändern ließe und wie zeitgemäße Bildung aussehen sollte. Insgesamt erweist sich das Sammelwerk durchweg als inspirierendes Lesebuch vor allem für Unternehmer. Die Lektüre mancher Beiträge sollte sich daher auch lohnen für unsere Politiker in den Koalitionsverhandlungen. ROBERT FIETEN
Anahita Thoms, Sebastian Dettmers, Gülsah Wilke, Fabian Kienbaum, Magdalena Oehl, Hauke Schwiezer (Hrsg.): Zukunft im Widerspruch. Wie Deutschland sich jetzt neu erfinden muss, Campus Verlag Frankfurt - New York 2024, 403 Seiten
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