ein sehr gut geschriebener und auf zurückhaltende Art mitreißender Roman
Das Leben auf dem Dorf in Schleswig-Holstein kann eng sein, man findet sich unter der ständigen Beobachtung der eingeschworenen Dorfgemeinschaft wieder, kritisch beäugt und beurteilt; da ist es besser zumindest augenscheinlich mit dem Strom zu schwimmen - und der wird in Florian Knöpplers "Habichtland", das im Jahr 1941 spielt, vom Dritten Reich bestimmt. Die Hauptfigur Hannes würde sich lieber jeder klaren Positionierung entziehen, quasi ungestört unter dem Radar leben, auch wenn ihm die Gespräche in der Dorfkneipe sehr missfallen. Dass dem so ist, davon bekommen seine Nachbarn nichts mit - es wird ihm gar ein offizieller Posten angeboten. Seine Frau Lisa kann das Stillhalten nicht tolerieren, ihr Handeln bringt sie und ihre Familie in Gefahr, während es Hannes' Stiefvater Walter äußerst schwerfällt, mit seiner Meinung hinter dem Berg zu halten.Florian Knöppler ist ein spannendes, äußerst präzises Portrait von Familien- und Dorfdynamiken in unterdrückerischen Zeiten gelungen. In einem sprachlich ausgereiften Stil, der sehr zurückgenommen und ruhig wirkt, erzählt er unaufgeregt von den Zerwürfnissen und Kämpfen, die Hannes mit sich, seiner Familie, seiner Jugendliebe und den im Dorf den Ton angebenden Männern austrägt. Er möchte es richtig machen, richtig handeln, aber die Zeiten, in denen er lebt, werfen ein sehr ambivalentes Licht auf "das Richtige" und so ist Hannes hin- und hergerissen zwischen dem Schutz seiner Familie und dem Wunsch, anderen zu helfen. Speziell die Figurenzeichnung des Protagonisten ist hervorragend gelungen. Sehr detailliert werden dem Leser Hannes' Sichtweise, seine Gedankengänge und Gefühlswelt aufgezeigt. Besonders glaubwürdig und plausibel ist dabei, dass Hannes das Abwägen von Für und Wider allein mit sich selbst ausmacht. Er ist kein Mann langer Reden und so seltsam es klingen mag, die Erzählweise des Romans spiegelt auf eindrucksvolle Weise seinen Charakter wider, denn trotz aller Worte transportiert es sehr stimmungsvoll Schweigsamkeit und auch Einsamkeit. Neben den Figuren, die allesamt ein hohes Maß an Authentizität besitzen, überzeugt gerade auch die von Knöppler geschaffene Atmosphäre. Auch wenn mir persönlich der Habicht als Motiv vielleicht ein- oder zweimal zu häufig bemüht wurde, bin ich doch absolut begeistert von der in diesem Roman erzeugten Stimmung und der Darstellung des Landlebens. Ich habe selbst Familie, die in jener Zeit auf dem Dorf in Schleswig-Holstein lebte, und so manche Beobachtung und Beschreibung des Romans kenne ich auch aus Erzählungen. Meine Lektüre wurde maßgeblich auch vom Abgleich dieser Geschichten mit Hannes Erfahrungen beeinflusst. Die Genauigkeit und Deckungsgleichheit von "Habichtland" mit diesen Augenzeugenberichten hat mich tief beeindruckt.Dazu ist der Handlungsverlauf von "Habichtland" äußerst spannend, die alltäglichen Bedrohungen, die Angst vorm falschen Wort oder Blick, die Sorge, den falschen Nachbarn verärgert oder sich überhaupt verdächtig verhalten zu haben, sind auf jeder Seite spürbar und so wird der Roman zu einer sehr lebendigen und bestechenden Illustration der Zeit, die eben auch gerade dadurch besonders ist, weil sie das dörfliche Leben in den Mittelpunkt rückt. Auch wenn mir die Handlungskurve zum Ende hin einmal zu stark in fiebrige Konstruktion ausschlug, habe ich den Roman mit überaus großer Begeisterung gelesen. Den Vorgänger "Kronsnest" kenne ich übrigens noch nicht, das werde ich jetzt auf jeden Fall nachholen. "Habichtland" ist auf jeden Fall eine dringende Leseempfehlung.