Die Manns machen im Sommer 1918 Ferien am Tegernsee - atmosphärisches Sommerbuch, das Thomas Mann einmal von einer anderen Seite zeigt
"Manche Wege geht man überhaupt besser allein. Idealerweise mit Hund."Thomas Mann macht im Sommer 1918 mit seiner Familie Urlaub in einem gemieteten Haus am Tegernsee. Während die größeren Kinder im Wasser toben, sich Frau Katia um die Familie und vor allem das jüngste Mitglied Elisabeth kümmert, geht Thomas Mann mit dem Hund spazieren, rudert und schreibt an seiner Erzählung "Herr und Hund". Doch ganz so unbeschwert und idyllisch wie es den Anschein haben mag, ist die Zeit freilich nicht, schließlich befindet sich die Welt im Krieg. Deutschland wird den Krieg verlieren, die Monarchie wird Vergangenheit werden und Manns jüngst verfasste Schrift konservative Schrift "Betrachtungen eines Unpolitischen" steht in der Kritik, wird darin doch die offensichtlich gescheiterte deutsche Kriegsführung verherrlicht. Nicht zuletzt wegen seiner politischen Haltung liegt Thomas zudem im Streit mit Bruder Heinrich. Kann er sich unter diesen Umständen im Urlaub entspannen? Flüssig und klar verständlich erzählt Kerstin Holzer aus der Sicht von Thomas Mann von einem besonderen Sommerurlaub. Stilistisch ist ihre Sprache dabei dem Protagonisten angepasst, ein stimmiger, atmosphärischer Schreibstil.Bisher war mir Thomas Mann wenig sympathisch, wird er doch oft als eitle und komplizierte Persönlichkeit dargestellt. Hier erlebte ich Thomas Mann aber einmal völlig anders, als Privatperson im Alltag, als Familienvater einer siebenköpfigen Familie. Nicht als verkopften, hochgelobten Schriftsteller, der sich seiner Fähigkeiten und seines Könnens nur allzu bewusst ist, sondern als einen von ständigen Zahnschmerzen geplagten Mann, der sich schwer mit dem Leben und seinem Anderssein tut, der mit seinem Werk hadert, aber auch als Hundeliebhaber und als einen toleranten Vater, der sich nicht zu schade ist, sich für seine Kinder als Zauberer zu verkleiden und der für sein Nesthäkchen alles tun würde. Thomas Mann fühlt, was es heißt, Kinder in die Welt zu setzen und "Leiden außer sich zu schaffen". Die Autorin fasst treffend zusammen: "Thomas Mann ist eben nicht nur Stararchitekt stilistisch makelloser Wendeltreppensätze. Er weiß um die Qualen der Ambivalenz, und zwar schmerzlich genau. Diese Einsicht in das Menschliche macht sein Werk so groß und zeitlos."Auch Katia wird hier überaus positiv dargestellt, als zupackende, fürsorgliche Frau, die sich nicht zu fein ist, zweimal die Woche mit dem Fahrrad ins benachbarte Gmund zu fahren, um Lebensmittel für alle zu organisieren. Der Roman gibt Einblick in das Familienleben einer besonderen Familie, auch die historischen, gesellschaftlichen und politischen Zustände werden eindrücklich dargestellt. Thomas Mann zeigt sich von einer ganz anderen Seite. Nicht nur sein Außenleben, auch sein Innenleben, seine Gedanken, seine Gefühle, seine Zweifel werden offengelegt. Leicht, amüsant mit Humor, und dennoch fein und mit Tiefe erzählt die Autorin ihre Geschichte. Ein kurzweiliges, interessantes, bereicherndes und "bildendes" Buch über eine große Persönlichkeit, die hier sehr nahbar präsentiert wird. Sehr lesenswert!