Eine Liebeserklärung an den Tegernsee und seine Landschaft und an Thomas Mann und seine Familie. Kerstin Holzer schreibt mit ironischer Distanz über komische und ernste Episoden in Thomas Manns Sommerferien 1918. Ihr Buch ist eine kenntnisreiche Darstellung eines Wendepunktes im Leben des Schriftstellers.
Sein Haus in Tölz hat er 1917 verkauft und das Geld ausgerechnet in Kriegsanleihen angelegt. Für die Sommerfrische 1918 muss die Familie also mieten. Hedwig Pringsheim, Katias Mutter, hat die Villa Defregger in Abwinkl vor der Ankunft der Familie inspiziert und für passend befunden. Mitte Juli bis Mitte September verbringt die siebenköpfige Familie samt Personal in dem Idyll am Ringsee, einem Teil des Tegernsees.
"Ich genoß das Wasser, das uns in Tölz so gänzlich fehlte, das Rudern, den Badestrand etc. beinahe so sehr wie die Kinder und war, komisch zu sagen, zum ersten Mal in meinem Leben auf dem Gipfel eines höheren Berges, dem Hirschberg, 1670 m, mit kolossalem Fernblick bei Sonnenaufgang in die tiefsten Alpen. [...] Geschrieben habe ich auch ein bißchen, nämlich an dem Prosa-Idyll 'Herr und Hund', mit dem ich nun gleich fertig bin." (Thomas Mann: Briefe 1889-1936)
Hitze, Regen Gewitter, Hagel. Der Sommer 1918 hat alles zu bieten. Die Kost ist karg, "Butterol" aufs Brot oder Kunsthonig. Der Schwarzmarkt kann nicht viel helfen. Die Kinder sammeln Schnecken für den Mittagstisch. Der Vater arbeitet, rudert mit Katia über den Ringsee, geht täglich mit dem Hund Bauschan spazieren. Seine Erziehungsversuche an Bauschan schlagen allerdings fehl. Mit der Erziehung der Kinder hat er auch nicht viel zu tun. Das ist das Terrain von Katia. Die hat mit dem Haushalt, Personalproblemen und dem neuen Kind, der kleinen Elisabeth, genügend Arbeit. Die Großen sind sie sich selbst überlassen.
Thomas Mann hat Sorgen. Seine Betrachtungen eines Unpolitischen sollen bald erscheinen. Er fürchtet die Reaktionen auf seine antidemokratische Verklärung des Obrigkeitsstaates. Er lenkt sich ab, der See bildet für ihn einen natürlichen Schutzraum abseits des Weltenlärms und er schreibt an seiner Hundegeschichte Herr und Hund und schließlich auch am Gesang vom Kindchen. Die kleine Elisabeth hat ihn sanfter und zugänglicher, hellhöriger für kindliche Bedürfnisse gemacht.
"In komischer Verzweiflung hatte ihr Vater zwar zuvor mitgeteilt, dass er sich im Fall einer fünften Schwangerschaft mit Petroleum übergießen und anzünden werde. Nun aber ist er hingerissen." Hier am See ist er nicht der leberleidende Rittmeister, wie ihn Katias Brüder genannt haben. Und am Ende des Sommers hat Katia schon wieder so ein Gefühl, als sei sie schwanger. "Thomas Mann ist eben nicht nur der Stararchitekt stilistisch makelloser Wendeltreppensätze."
Klug zusammengestellt aus vielerlei Primärtexten und bestens recherchiert. Ausgestattet mit einer Auswahlbibliographie zu Autor, Werk und historischem Hintergrund.
Eine leichte Lektüre im Thomas-Mann-Jahr, sehr zu empfehlen!