3,5 Sterne
Chelsea Abdullahs "Der Sternenstaubdieb" führt uns in die Welt der Dschinns, Magie und ganz generell der Märchen aus dem mittleren Osten. Viele bekannte Märchenfiguren werden modernisiert und in einem neuen Kontext wiedergegeben. So treffen wir auf die 40 Räuber, auf eine abgewandelte Form der Geschichte von Schahriyar und Scheherazade und so weiter und sofort. Diese Geschichten in neuem Gewand in eine übergeordnete Geschichte rund um Intrigen, Mord und Verrat eingebettet (wieder) zu entdecken, macht ungemeine Freude.
Gut gefallen hat mir auch, dass Chelsea Abdullah ihre Charaktere nicht nur schwarz-weiß zeichnet, sondern - wie auch im echten Leben - viele Grautöne einfügt. Dadurch ist es möglich, dass sich zumindest einige Charaktere im Lauf der Geschichte charakterlich weiterentwickeln. Diesen Entwicklungen zu folgen, hat mir viel Spaß bereitet.
Natürlich gibt es "den Bösewicht". Wer das ist, ist relativ schnell klar. Und auch wenn er keine echte Entwicklung durchmacht, gibt Chelsea Abdullah ihm im Verlauf des Romans genug Hintergrundgeschichte, dass man ihn als Leser*in zwar immer noch furchtbar findet, aber immerhin versteht, wie es so weit kommen konnte.
Auch der Kampf zwischen Menschen und Dschinns wird nicht einseitig erzählt. Es gibt - wie im echten Leben - verschiedene Perspektiven auf die Gründe und die daraus resultierenden Konsequenzen, weshalb Menschen Dschinns und Dschinns Menschen töten. Und wie im echten Leben werden keine einfachen Antworten geliefert.
Chelsea Abdullah erschafft eine fantastische Welt, aber man merkt leider auch, dass es sich um einen Debütroman handelt. Einzelne Segmente sind unausgegoren. Immer wieder kommt es vor, dass sie Orten kein Leben einzuhauchen vermag, weil sie zu wenig Beschreibungen liefert. Ich brauche keine ausufernden Beschreibungen, aber wenn ein Diwan einfach als gegeben präsentiert wird und kaum beschrieben wird, bleibt er leblos. Immerhin wird das im letzten Drittel des Romans besser.
Ähnlich verhält es sich mit der Reise an sich. Eine Reise lebt von ihren Details. Diese fehlen hier fast komplett. Klar, unsere Held*innen landen mal in einem Sandsturm, aber davon abgesehen fehlen mir viele Details, um die Reise vor meinem geistigen Auge tatsächlich stattfinden zu lassen. Stattdessen finden gefühlt vor allem Ortsprünge statt.
Ich hatte oft den Eindruck, dass die Autorin das Hauptaugenmerk auf die Action gelegt hat. Das zeigt sich unter anderem darin, dass praktisch kein Reiseabschnitt ohne eine Kampfszene auskommt - mit einem Endkampf zum Ende des Romans. Das ist grundsätzlich okay für mich, war aber letztlich durch die Menge dann letztlich austauschbar und irgendwann langweilig, zumal die vielen Kampfszenen nicht darüber hinwegtäuschen können, dass eine grundsätzliche Liebe zum Detail fehlt.
Und doch hat mir "Der Sternenstaub" alles in allem gefallen. Angelegt als Trilogie hat der Roman einen Cliffhanger, der aber aus meiner Sicht erträglich ist. (Ich hasse Cliffhanger.) Ich traue Chelsea Abdullah zu, den zweiten Teil ausgewogener und insgesamt deutlich besser zu präsentieren. Das Potenzial ist definitiv vorhanden.
Fazit: Auftakt einer Trilogie, der meiner Meinung nach oft unausgegoren ist, was daran liegen dürfte, dass es sich um einen Debütroman handelt. Mir gefällt die Idee sehr und es ist toll, die Entwicklung der Protagonist*innen mitzuerleben. Ich bin sehr gespannt auf den zweiten Teil!