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Herzfaden. Roman der Augsburger Puppenkiste

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Hörbuch CD
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Als die Puppen ein Land eroberten
Ein zwölfjähriges Mädchen entdeckt nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste im Foyer des Theaters eine kleine Holztür, öffnet sie und gerät wie Alice im Wunderland in eine Märchenwelt, in der viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer und viele andere. Vor allem aber trifft es dort Hatü, die Frau, die einst mit ihrem Vater all diese Marionettenfiguren geschnitzt und gebaut hatte und die eine große Geschichte zu erzählen hat: die Geschichte dieses einmaligen Theaters und der Familie, die es erfunden, gegründet und berühmt gemacht hat. Es ist die Geschichte eines deutschen Kultur-Mythos, die weit zurückreicht in die ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Augsburger Theaters, im Lazarett einen Puppenschnitzer kennenlernt . . .
Valery Tscheplanowa studierte Tanz und Puppenspiel, bevor sie zur Schauspielerei fand. Zusammen mit Christian Brückner wird sie die Augsburger Puppenkiste so zauberhaft wie fesselnd zum Leben erwecken.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
10. September 2020
Sprache
deutsch
Auflage
4. Auflage, Ungekürzte Ausgabe
Ausgabe
Ungekürzt
Laufzeit
475 Minuten
Reihe
argon edition
Autor/Autorin
Thomas Hettche
Sprecher/Sprecherin
Valery Tscheplanowa, Christian Brückner
Verlag/Hersteller
Produktart
MP3
Audioinhalt
Hörbuch
Gewicht
105 g
Größe (L/B/H)
139/136/10 mm
GTIN
9783839818176

Portrait

Thomas Hettche


Der Romancier Thomas Hettche gehört seit 1989, seit seinem Debüt

Ludwig muß sterben

, zu den oft polarisierenden, stets überraschenden literarischen Stimmen dieses Landes.

Der Fall Arbogast

wurde in 13 Sprachen übersetzt, sein Bestseller

Pfaueninsel

, der die atmosphärische Geschichte einer Kleinwüchsigen im Preussen des 19. Jahrhunderts erzählt, wurde u. a. mit dem Wilhelm-Raabe-, dem Wolfgang-Koeppen-Preis, dem Solothurner Literaturpreis und dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet.

Valery Tscheplanowa studierte Tanz und Puppenspiel, bevor sie zur Schauspielerei fand. Als Theaterdarstellerin kennt sie die Bühnen vom Deutschen Theater Berlin, Residenztheater München, Schauspiel Frankfurt und von der Volksbühne Berlin. Die Schauspielerin des Jahres 2017 wurde auch mit dem Alfred-Kerr-Darstellerpreis, dem Bayerischen Kunstförderpreis sowie dem Kunstpreis Berlin ausgezeichnet. Im Film arbeitete sie bereits mit Regisseuren wie Dominik Graf, Andreas Dresen und Christian Schwochow zusammen.

Christian Brückner, geboren 1943 in Schlesien, wuchs in Köln auf. Engagements am Theater, kontinuierliche Arbeit für Funk und Fernsehen. 1990 erhielt er den Grimme-Preis Spezial in Gold. Schwerpunkt seiner Arbeit heute: öffentliche Literaturlesungen, oft eingebunden in einen musikalischen Zusammenhang. 2000 Gründung des Hörbuchverlags parlando mit seiner Frau Waltraut. 2005 Auszeichnung des gesamten Programms mit dem Deutschen Hörbuchpreis. 2012 wurde Christian Brückner der Sonderpreis für sein Lebenswerk verliehen, 2017 erhielt er den Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik und 2018 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.


Pressestimmen

»Das Sprecherduo Valery Tscheplanowa und Christian Brückner erwecken die Augsburger Puppenkiste so zauberhaft wie fesselnd zum Leben. Deren Lesung ist absolut preisverdächtig, definitiv das Beste vom Besten für die
Ohren. Nichts begeistert mehr! « Susann Fleischer, literaturmarkt. info

Besprechung vom 10.09.2020

Die Unschuld hängt an dünnen Fäden

Was träumt Alice in Augsburg? Thomas Hettche hat den Roman der Augsburger Puppenkiste geschrieben.

Jeder kennt die Augsburger Puppenkiste, aber für jeden von uns beginnt ihre Geschichte anders. Denn all die Familiengeschichten, zu denen die Puppenkiste mit ihren Figuren seit Generationen gehört, unterscheiden sich voneinander. Dass die Augsburger Puppenkiste selbst auch eine Familie bildet, also auch selbst eine Familiengeschichte haben muss, ist wohl nur den wenigsten je in den Sinn gekommen. Thomas Hettches neuer Roman erzählt diese Geschichte. Sie handelt nicht von Urmel, dem Gestiefelten Kater, Jim Knopf oder dem kleinen König Kalle Wirsch, obwohl all diese Gestalten Rollen im Roman übernommen haben. Auf der Bühne sind die Marionetten die unbestrittenen Hauptfiguren, aber im Roman haben sie nur Nebenrollen. Hettche erzählt von dem, was sich am anderen, dem unsichtbaren Ende der Fäden befindet. "Herzfaden" erzählt von denen, die führen und geführt werden.

Die hölzernen Türen, die sich zu Beginn jeder Vorstellung öffnen, waren ursprünglich die Seitenteile einer Transportkiste der Deutschen Reichsbahn. Die Puppenkiste war ein Provisorium, aus der Not geboren. Ihr Vorläufer, der sogenannte Puppenschrein, verbrannte nach einem Bombenangriff der Alliierten in den Trümmern des Stadttheaters. Deutschlands bekannteste Marionettenbühne, begründet von Walter Oehmichen, dem früheren Augsburger Oberspielleiter, gilt als liebenswertes Symbol der frühen Bundesrepublik, aber wie vieles in den Jahren des Aufbruchs und Neubeginns nach 1945 hat auch das Marionettentheater seinen Wurzelgrund im "Dritten Reich". Nein, es geht im Roman nicht darum, eine dunkle Stelle im Leben Oehmichens zu finden oder eine Verstrickung der Puppenkiste mit den Nationalsozialisten zu enthüllen. "Jud Süß" stand hier nie auf dem Spielplan. So einfach hat es sich Hettche nicht gemacht.

Der Roman setzt nicht vor einer Vorstellung ein, sondern danach. Was gezeigt wurde, erfahren wir nicht. Ein Mädchen reißt sich von der Hand seines Vaters los, öffnet neugierig eine unscheinbare Holztür in einem Winkel des Theaterfoyers, und schon befindet sich das Kind in einer anderen Welt. Denn auf dem Dachboden des Gebäudes sind alle Marionetten beisammen. Hier, in ewiger Dunkelheit, sind sie lebendig, können umherlaufen, sprechen oder singen wie die Prinzessin Li Si. Aber auch ihre Schöpferin ist hier, Hannelore Oehmichen, genannt Hatü. Sie hat die meisten Marionetten geschnitzt - insgesamt sollen es etwa sechstausend gewesen sein -, viele von ihnen während der Vorstellungen geführt und die Leitung der Puppenbühne 1972 von ihrem Vater übernommen. Die reale Hatü ist 2003 gestorben, hier lebt sie weiter, inmitten ihrer Geschöpfe, und beinahe ist es, als wäre sie selbst eines von ihnen. Denn auf dem Dachboden sind alle gleich klein. Auch das Mädchen ist geschrumpft. Hettche stattet das Kind nur mit dem Allernötigsten aus, um es in unserer Gegenwart zu verorten: einem Elternpaar, das sich getrennt hat, und einem iPhone. Einen Namen gibt er der Zwölfjährigen nicht. Nennen wir sie Alice in Augsburg.

Was Alice erlebt, ist im Kern märchenhaft, also überschaubar und schlicht im Handlungsablauf, aber vieldeutig in seinen Bezügen und Deutungsmöglichkeiten. Es gibt einen bösen Kasperl, den alle fürchten, sogar Hatü. Er muss bezwungen, aber auch erlöst werden. Was auf dem verzauberten Dachboden geschieht, ist im Roman in roter Farbe gesetzt, in blauer Schrift erscheint die Geschichte, die Hatü ihrer Besucherin erzählt. Das ist der eigentliche "Roman der Augsburger Puppenkiste", den der Untertitel verheißt. Er setzt mit dem abrupten Urlaubsende im Sommer 1939 ein, als der Krieg ausbricht und Walter Oehmichen einberufen wird. Im Folgenden erzählt Hatü die Geschichte ihrer Familie, der eigenen Kindheit und Jugend und der ersten Jahre der Augsburger Puppenkiste. Auf dieser Ebene endet der Roman mit der Produktion von "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" für den Hessischen Rundfunk, die als erste deutsche Serie Fernsehgeschichte geschrieben hat. Die Rahmenhandlung, die weit weniger Raum einnimmt, wird mit der Rückkehr des Mädchens in die reale Welt beschlossen.

Hettche ist kein Lewis Carroll, aber "Herzfaden" ist wie "Alice im Wunderland" ein Buch für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Geschickt hält der Roman die Balance zwischen Märchenton, phantastischen Elementen im Stil von Michael Endes "Unendlicher Geschichte", Coming-of-Age-Roman und Zeithistorischem. Nicht nur die Familie Oehmichen und ihre engsten Mitarbeiter, auch zahlreiche Nebenfiguren haben reale Vorbilder. Personen und Ereignisse, die in diesem Roman vorkommen, so heißt es in einer Nachbemerkung, habe es wirklich gegeben, und zugleich seien sie erfunden. Man darf davon ausgehen, dass Hettche gründlich recherchiert hat. Spannend wird die Frage, wie es um das Verhältnis von historischen Fakten und Fiktion steht, wenn Hettche die zentralen Fragen des Romans verhandelt.

Dass der Vater eine Affäre hatte, Hatü kurz in den Maler Michel verschossen war, bevor sie dann doch ihre Jugendliebe Hanns Marschall heiratete, während sie die Entfremdung von ihrer besten Freundin Vroni nicht aufhalten konnte, mag so oder auch ganz anders gewesen sein. Das ist mehr oder weniger egal. Oder, wie Hettche Oehmichen sagen lässt: "Darauf kommt es nicht an . . . Wir müssen die Herzen der Jugend erreichen, die von den Nazis verdorben wurden. Und die Fäden, mit denen wir sie wieder an Kultur anknüpfen, das sind die Fäden meiner Marionetten." Dreißig Seiten später stellt Oehmichen einigen jungen Leuten - der künftigen "Familie" der Puppenbühne - sein Konzept eines transportablen Theaters vor. Die Reisepuppenbühne in einem ehemaligen Transportbehältnis der Reichsbahn: "Das ist unser Theater. Diese Kiste. Sie ist alles, was uns geblieben ist. Sie steht in den Ruinen. In sie sperren wir alles ein, was war. Verwandelt wird es wieder herauskommen."

Ist die Augsburger Puppenkiste also im Kern ein ideologisches Projekt gewesen? Ein Instrument der Volkserziehung, gegründet aus der Überzeugung, die deutsche Jugend, verdorben durch HJ und BDM, bedürfe einer moralischen Grundreinigung? Und ist der Puppenspieler einer, der aufgrund seiner Verfehlungen besser im Hintergrund bleibt, unsichtbar, aber die Fäden ziehend, weil er die Bühne denen überlassen will, die beides besitzen: Anmut und Unschuld?

Hettche ist viel zu klug, um sich da festzulegen. Ja, für Oehmichen sind Marionetten die besseren Menschen. Und nein, man kann die Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel nicht in den Ofen stoßen, ohne an die deportierten Juden und ihre millionenfache Ermordung in den Lagern zu denken. Hatüs böser Kasperl, der auf dem Dachboden die anderen Marionetten in Angst und Schrecken versetzt, ist eine allegorische Figur, in der ebenso viel Verdrängtes steckt wie in der ganzen Augsburger Puppenkiste. Seine Puppen seien nicht eitel, lässt Hettche Oehmichen einmal sagen. Das ist, nur um eine Nuance abgewandelt, Kleists Bemerkung, dass einer der Vorteile der Marionette darin liege, "dass sie sich niemals zierte". Um in den Stand der Unschuld zurückzufallen, müssten wir wohl wieder vom Baum der Erkenntnis essen, sagt, ein wenig zerstreut, Kleists Erzähler. Hettches Roman erzählt uns vom Traum eines ganzen Landes vom allmählichen Verfertigen der Unschuld beim Spiel der Marionetten. War das kein unschuldiger Traum?

HUBERT SPIEGEL

Thomas Hettche: "Herzfaden". Roman der Augsburger Puppenkiste.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 288 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon Tatsu am 24.08.2024
Überwiegend schön und nostalgisch, aber leider auch stellenweise zäh und uninteressant
LovelyBooks-BewertungVon n8eulchen am 04.02.2021
Ein namenloses Mädchen ist nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste sehr aufgewühlt und gelangt auf der Flucht vor ihrem Vater durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden.Hier trifft es auf Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas den Lokomotivführer und auf die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat. Sie erzählt ihr von der Magie dieser Puppen und der Kraft der Fantasie. Sie erzählt ihr die Geschichte eines kleinen Theaters im zweiten Weltkrieg, die Geburt und den Werdegang der Augsburger Puppenkiste.Die Geschichte wird abwechselnd in der Vergangenheit und der Gegenwart erzählt. Wunderbar gelesen von Valery Tscheplanowa und Christian Brückner.Natürlich ist auch meine Kindheit von der Augsburger Puppenkiste geprägt, ich bin noch heute ein großer Fan. So war ich voller Vorfreude auf dieses Buch und wurde nicht enttäuscht.Meine Meinung:- Nostalgie pur- informativ, interessant, unterhaltsam und emotional- so viel Herzblut im HerzfadenTop oder Flop?- für mich persönlich Top!Empfehlung?- Für Fans der Augsburger Puppenkiste ein Muss