Woher kam bloß dieses Gefühl, dass alles ständig zerbrechlich sein konnte?
Bilkau widmet sich hier den leisen, aber drängenden Themen unserer Zeit: der Perspektivlosigkeit junger Menschen, der Verantwortung der älteren Generation, dem Klimawandel und der schwierigen Kunst, als Mutter und Tochter zueinanderzufinden, wenn das Leben dazwischengefunkt hat. Es geht also um alles, was schwer auf der Gegenwart lastet. Erzählt wird das Ganze in sehr ruhigen, zurückhaltenden Tönen.
Annett, Ende vierzig, hat sich ein stilles Leben an der norddeutschen Küste eingerichtet dort, wo der Wind manchmal stärker tost als die Handlung des Romans. Doch eines Tages wird sie aus ihrem ruhigen Alltag gerissen: Ihre Tochter Linn liegt nach einer Ohnmacht im Krankenhaus. Kurz darauf zieht Linn wieder bei ihr ein, allerdings ohne die tatkräftige Entschlossenheit, die sie früher einmal als engagierte Umweltaktivistin ausgezeichnet hat. Stattdessen bringt sie eine gehörige Portion Orientierungslosigkeit mit Job gekündigt, Zukunft unklar, Energie irgendwo unterwegs verloren gegangen.
Bilkau erzählt ruhig und sehr feinfühlig, wie Mutter und Tochter versuchen, sich wieder anzunähern mal tastend, mal konfrontativ, oft schmerzhaft unbeholfen. Die Konflikte, die sich aus der unterschiedlichen Lebensrealität der beiden Generationen ergeben, brechen auf, aber echte Lösungen werden nur angedeutet. Bilkau zeichnet das feinfühlig manchmal vielleicht sogar einen Tick zu feinfühlig. Wer auf große Eskalationen oder dramatische Enthüllungen hofft, wartet vergeblich.
Besonders mochte ich, wie geschickt Bilkau aktuelle gesellschaftliche Fragen einarbeitet, ohne dass der Roman zur Moralpredigt wird. Die junge Gemeinschaft im Nachbarhaus, die ich unglaublich sympathisch fand, punktet mit Freundlichkeit sie organisieren Hausauflösungen, packen an, wo Hilfe gebraucht wird und bringen eine wohltuende Wärme und Bodenständigkeit in die Geschichte. Ein schöner Kontrast zur inneren Leere, die Linn empfindet.
Bilkau schreibt präzise, manchmal mit Sätzen, die wie kleine Lichtblicke aufblitzen. Manche Szenen berühren wirklich wenn man sich auf das ruhige Tempo des Romans einlassen kann. Ja, das Buch nimmt sich sehr viel Zeit. Die Handlung entwickelt sich eher behutsam als spannend, und so bleibt das Gefühl, dass mehr möglich gewesen wäre. Die Konflikte werden angerissen, aber selten wirklich ausgetragen. Manchmal bleibt das Buch fast zu höflich da wäre ein bisschen mehr Spannung schön gewesen.
Halbinsel ist ein feinfühliger, leiser Roman über eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung und über die Unsicherheit der Gegenwart. Kein lautes Buch, aber eines, das mit stillen Beobachtungen punktet auch wenn man sich manchmal ein kleines bisschen mehr Aktion gewünscht hätte. Ein leises Raunen, aber kein Sturm.