Der Prolog war als Einstimmung nicht schlecht, auch wenn ich noch nicht wirklich wusste, was ich damit anfangen soll. Dass es um die vier magischen Artefakte geht, bzw. Iliaden, wurde dann recht schnell klar, aber ansonsten gab es erstmal keine klare Linie. Aus unterschiedlichen Perspektiven haben wir Einblicke auf die Hauptfiguren bekommen und auch welche Rolle sie in dieser Welt spielen. Das fand ich sehr geschickt gemacht, auch wenn es anfangs etwas "überschwemmt" wirkt. Einen Einzelband im High Fantasy Bereich zu schreiben, ist aber auch nicht einfach - die fremde Welt, die Charaktere, die Zusammenhänge der Gesellschaft, verschiedene Völker, Sitten, Tiere, Magie etc., das alles muss auf wenigen Seiten erzählt werden, so dass es anschaulich wird und man darin eintauchen kann. Das ist der Autorin definitiv bei mir gelungen!Außerdem stört es mich nicht, wenn ich anfangs viele Eindrücke gewinne, die sich dann nach und nach erst zu einem Gesamtbild entwickeln."... und die Dunkelheit weicht dem Licht, nicht umgekehrt."Zitat Seite 14Da haben wir die hübsche Zwergin Walgreta, die vom Königshaus abstammt. Ihre Lehre bei den Weisen Frauen hat nicht zum Ziel geführt und so kehrt sie gedemütigt nach "Horuns Bauch" zurück, der Zwergenstadt, in dem ihre königliche Familie lebt.Dort trifft sie am Erntefest auf den Elfen Fayanú. Seine Prophezeiung macht sie neugierig - und auch sonst ist erein sehr undurchschaubarer Charakter.Interessant ist, dass die Zwergenfrauen das Sagen und die Machtpositionen haben. Didanwen spielt auch eine wichtige Rolle. Als noch junge Priesterin soll sie die königliche Nachfolge antreten, was in Walgreta erstmal Neid und Eifersucht auslöst.Die Reiterstämme der Urier sind Menschen, die den Zwergen untergeordnet sind: was ihnen natürlich nicht gefällt. Sie wirken wie wilde Horden, stehen aber im Dienst der Zwerge, um die Seenlande vor Räuberbanden zu beschützen. Unter den Stämmen gibt es aber viele Konflikte, in dessen Mittelpunkt Rianon steht. Seine Vergangenheit ist ihm eine große Last und um an sein Ziel zu kommen, lässt er sich von nichts und niemandem aufhalten.Außerdem Mauskin, den Rebellen, der eine List plant, um sich an einer Blutschuld zu rächen.Sie alle haben Ziele. Sie alle glauben, im Recht zu sein - für eine gerechte Sache zu kämpfen und danach zu handeln. Und sie alle erleben eine Wandlung im Laufe der Ereignisse, die mich überrascht hat und dennoch schlüssig war.Ich fand die Idee hinter der Magie der Wyken (also der Weisen Frauen) auch sehr gut: die Spiegelung. Das heißt soviel, dass sich die Kraft für einen Zauber spiegelt, also irgendwie ... entladen werden muss. Als Beispiel: ein Wasserzauber kann dich zum Schwitzen bringen, auf deine Blase drücken, oder deinen Mund austrocknen. Wenn du ihn gut kannst, sollte es dir gelingen, ihn auf deine Umgebung umzulenken.Dass Magie ihren Tribut fordert liest man ja in vielen Geschichten, aber hier ist sie mit den Artefakten und dem Gleichgewicht sehr schön verwoben.Der Schreibstil ist sehr ungewöhnlich. Einerseits wirkt er oft recht nüchtern und schnörkellos, andererseits hat er auch so was tragendes, tiefgehendes und ist definitiv immer anschaulich, so dass ich ihn echt schwer beschreiben kann. Er führt einen aber wirklich gut durch die Geschichte - in der es manchmal auch brutal zugeht (wie in manchen Rezensionen erschrocken festgestellt wird) und da muss ich einfach sagen: wir sind hier in der High Fantasy und da geht es meist rau zu -> Mittelalter SettingWer Romantasy gewohnt ist, stolpert hier dann vielleicht durchaus über kleine Grausamkeiten, die abstoßen könnten, aber für High Fantasy Leser ist das Maß eher gering. Meiner Meinung nach.Die Autorin versteht es nämlich sehr gut, vieles nur anzudeuten oder eben auch kleine Schlachten kurz und bündig abzuhandeln und nicht ewig auszuarbeiten; wie so viele anderen Schriftsteller in dem Genre ^^Jedenfalls hat es mir überraschend gut gefallen, denn es war überraschend, wie sich alles entwickelt hat und welche verschlungenen Wege schließlich zu einem Ende führen, mit dem man sicherlich so nicht gerechnet hat!Wie das erste Zitat oben schon deutlich macht dreht sich vieles darum: die Liebe und ihr Schatten der Angst - das sind die Gefühle, die die Protagonisten hier antreiben und die Hoffnung, etwas in der Welt zum Guten zu verändern. Die Vorgehensweise ist dabei sehr unterschiedlich und jeder glaubt sich im Recht, wie es ja meist so ist. Aber die sklavenähnliche Wirtschaft, das Ungleichgewicht der Völker und die vage Hoffnung auf Frieden sind sehr fragil.Die vier magischen Artefakte könnten das Licht am Ende des Tunnels bedeuten, doch ihre Macht erhalten sie durch die Weitergabe als Geschenk - Diebstahl oder ähnliches verringert ihre Auswirkungen, und wer verschenkt schon gerne ein Relikt, mit dem man andere zum eigenen Nutzen beeinflussen kann?Eine außergewöhnliche Geschichte die aus den üblichen definitiv heraussticht und für mich etwas ganz besonderes war. Stil, Charaktere, der Verlauf der Handlung, Magie und Ideen, das alles zusammen war ein beeindruckendes Leseerlebnis!