Den österreichischen Schriftsteller Arthur Schnitzler (1862 bis 1931) habe ich früh als Dramatiker schätzen gelernt. Seine Stücke "Liebelei" und "Reigen", die einst Skandal machten, tauchen noch heute immer wieder auf den Spielplänen auf. Aber auch als Erzähler sind Schnitzler Meisterstücke von erstaunlicher Modernität gelungen, darunter zwei Novellen, die durch den so genannten inneren Monolog den klassischen Erzähler zum Verschwinden bringen: Die Ich-Figuren "Lieutenant Gustl" und "Fräulein Else" teilen gleichsam ihr unmittelbares gegenwärtiges Erleben mit und bringen Inhalte zur Sprache, die dem Bereich des Unbewussten oder Vorbewussten angehören. (...)
Beide Novellen - ästhetisch, psychologisch und sozialgeschichtlich gleichermaßen gewichtig - sind jetzt in Reclams Universalbibliothek neu erschienen, mit ausführlichen Nachworten; zu "Fräulein Else" liegt außerdem ein Band mit "Erläuterungen und Dokumenten" vor. Dies ermöglicht eine intensive Lektüre der Texte, weist auf Feinheiten hin und gibt Antworten auf Fragen, die uns (geben wir's nur zu) beim "normalem" Lesen gar nicht einfallen würden.
Frankenpost
Da es bis heute weder eine historisch-kritische noch eine kritische Ausgabe der Werke Schnitzlers gibt, ist es ein wirkliches Verdienst des Reclam Verlags, die paradigmatische Erzählung in der originalen Textgestalt des Erstdrucks von 1901 wieder zugänglich gemacht zu haben. Der sorgfältigen Neuedition durch die Schnitzler-Spezialistin Konstanze Fliedl sind hilfreiche Stellenkommentare zum Text und ausführliche Literaturhinweise beigegeben (besorgt von Evelyne Polt-Heinzl) Das kenntnisreiche Nachwort der Herausgeberin lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf Aspekte in Schnitzlers programmatischem Erzähltext, die eine erneute Lektüre zu einem spannenden Ereignis werden lassen.
Basler Zeitung