Graf Heinrich Ferdinand von Kirchhoff-Aisterthal hat sein Leben an der Seite von Ehefrau und Söhnen gründlich satt. Die Gesellschaft seiner jungen Geliebten Stanzi zieht er eindeutig vor. Doch wie kann er sein Leben diesen Wünschen anpassen, ohne gesellschaftlichen Selbstmord zu begehen? Der Graf entwickelt einen perfiden Plan, der darin gipfelt, dass sich seine bedauernswerte Gemahlin und die beiden Söhne Emil und Helmuth mittellos am Gemüsemarkt von Mayfair wiederfinden. Wie soll es nun für sie weitergehen?
"Das geheimnisvolle Testament" ist ein Spin-Off der Regency-Heroes-Reihe von Sophia Farago. Der Roman kann gut für sich allein gelesen werden und deshalb wählte ich ihn für meinen Ausflug in ein für mich neues Genre aus.
Das Regency umfasst die Zeit von 1810 bis 1820 in Großbritannien und Irland. In dieser Zeit starker sozialer, politischer und industrieller Umbrüche spielt die Geschichte von Emil und Harriet. Durch einen verantwortungslosen Vater gerät der junge Adelige samt Bruder und Mutter unverschuldet in eine prekäre Lage. Mittellos in einem fremden Land gelingt es ihm und seinen Angehörigen nur mit Mühen zu überleben. Dank ihrer Eigeninitiative und durch ihr gewinnendes Wesen, gelingt es den Dreien, Freunde und deren Unterstützung zu gewinnen. Auch vor der ungewohnt harten Arbeit auf einem Gemüsemarkt schrecken die Jungen nicht zurück. Auf diese Weise bekommen sie allmählich ihr Leben wieder in den Griff. Doch lange Zeit wissen sie nicht, wem sie ihre missliche Lage zu verdanken haben und wie ihre Zukunft aussehen wird.
Harriet dagegen gerät durch das für Frauen perfide damalige Erbrecht in eine scheinbar unerträgliche Situation. Da sie nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters, eines Earls, nicht erbberechtigt ist, wird ein weit entfernter Verwandter neuer Earl, Nutznießer des Vermögens und ihr Vormund. Als dieser will er sie schnellstmöglich an den Meistbietenden verschachern.
Sophia Farago versteht es, ihre Leser ins Regency zu versetzen und das Schicksal der beiden Jugendlichen hautnah miterleben zu lassen. Mit ihrem authentischen Schreibstil und den glaubwürdig gezeichneten Charakteren gelingt es ihr, einen Spannungsbogen aufzubauen und das Interesse an der Geschichte des jungen Paares zu wecken. Geschickt bindet sie die Helden ihrer erfolgreichen Regency-Heroes-Reihe in das Geschehen ein. Die Einblicke in die Gesellschaft und die Umstände der damaligen Zeit fand ich sehr aufschlussreich. Man spürt die gründliche Recherche der Autorin. Das Personenverzeichnis am Buchende erleichtert es dem Leser, sich zurechtzufinden.
Gern hätte ich mehr über das weitere Schicksal der großherzigen Wirtin erfahren, die der ausländischen Grafenfamilie hilft, ganz im Gegensatz zu einigen Mitgliedern deren eigener Gesellschaftsschicht. Ohne die uneigennützige Hilfe dieser Frau wäre es Emil und den Seinen noch sehr viel schlechter ergangen.
Ich vergebe 4,5 von 5 Punkten und eine Leseempfehlung an alle Fans von Regency Romance.