Besprechung vom 17.12.2018
Ihm wird's zu grün
Andreas Möller wirbt für den Blick aufs Land
Vor einigen Jahren dekonstruierte Andreas Möller, ein Historiker und mittlerweile Sprecher des Maschinenbauunternehmens Trumpf, auf vortreffliche Weise den damaligen "grünen" Moralismus, der sich mit ideologisch überhöhten Heilsversprechen durch vegane Ernährung, Agrarwende und ökologische Tierhaltung verband. Nun hat er nach "Das grüne Gewissen" ein neues Buch geschrieben, in dem er sich der industrialisierten Landwirtschaft widmet. Im Wesentlichen enthält es viel Verständnis und Sympathie für den industriellen Fortschritt auch der Landbewirtschaftung, aber auch gewisse Offenheit für die Stimmen der Skeptiker.
Warnungen vor ökologischen Heilshoffnungen und unreflektierten Überhöhungen einer vermeintlich naturnahen Landbewirtschaftung mischen sich mit Sorgen über das Verschwinden der Insekten. Als innerer Kompass taugt Möller - wie im bei Hanser erschienenen Vorgängerbuch - immer wieder die imaginäre Rückreise in seine Kindheitswelt in Mecklenburg, wo Hechte und Schleien, aber auch Traktoren der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und reichlich Chemikalien anzutreffen waren. Das trägt, denn als intellektueller Kompass dient Möller zudem seine profunde Kenntnis der Technikgeschichte und der Geschichte der - speziell deutschen - Technikfeindschaft.
Der Leser profitiert vom Lektüreschatz des Autors. Möller ist auch nahe dran an den Debatten der Feuilletons und auch fachlich weitgehend auf dem Stand der Dinge. Der originäre Debattenbeitrag ist allerdings nicht so wegweisend, wie sein Titel verheißt. Wie der Weg "zwischen Bullerbü und Tierfabrik" denn aussehen könnte und wie das vor allem finanziert und politisch flankiert werden soll, steht auch nach diesem Buch in den Sternen.
Originell ist der Gedanke, dass die Stadt derzeit das Land ausbeute - und damit späte Rache übe an den Bauern, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg an der Not der Menschen bereicherten und Gold und Teppiche gegen Milch tauschten. Weniger originell ist Möllers Wunsch an die Medien, sie möchten doch einige Tage abwarten, ehe sie über komplizierte Studien berichten, die noch nicht alle Gründe für ein Phänomen restlos erklären ("Insektensterben"). Überhaupt bleiben die Parteien, die für Möller unter Ideologie- oder Romantikverdacht stehen, oft allzu gesichtslos. Er begnügt sich mit pauschalen Zuschreibungen und droht, so selbst die Neugier zu verlieren. Die pomadigen und selbstgefälligen Bauernverbände kriegen für ihr jammerndes Subventionsgebettle von dem Kommunikationsprofi ihr Fett weg. Möllers Profession ist es vielleicht geschuldet, dass es in diesem Buch allzu sehr um die Kommunikation der Landwirtschaft geht, die doch eher ein Thema für Profis ist, als für ein allgemeines Publikum. Dabei erscheint insgesamt auch der Eindruck, der Autor nehme manche Probleme nicht so recht ernst, die das industrielle Agrarsystem für Tiere, Böden und Klima auch mit sich gebracht hat. Mediendemokratie und "grüner Zeitgeist" scheinen ihm das größere Übel.
JAN GROSSARTH
Andreas Möller: Zwischen Bullerbü und Tierfabrik: Warum wir einen anderen Blick auf die Landwirtschaft brauchen, Gütersloher Verlagshaus, 240 Seiten
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