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Grenzfahrt

Roman | Atemlose Kriegserzählung von poetischer und existentieller Wucht

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Juni 1941, wenige Tage vor dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion. Im Dorf am Bug haben sich deutsche Besatzungssoldaten einquartiert, in der Nähe verstecken sich polnische Partisanen. Jeder hier weiß, dass Lubko, der Fährmann, gegen Geld Fliehende und Händler ans andere Ufer rudert. Doris und Maks, ein jüdisches Geschwisterpaar aus der Stadt, wollen sich vor Verfolgung retten - hinüber nach Russland, am besten bis an den Amur. Doch Lubko weigert sich. Was er tut, ist gefährlich, macht ihn erpressbar, und die Nächte in jenen Tagen sind mondlos.

Das Geschehen scheint sich aus der verträumten, nächtlichen Flusslandschaft zu entwickeln, die fremd und bedrohlich wirkt, seit Motorräder, Lastwagen und Panzer hindurch rollen und deutsche Wörter durch die Luft schwirren.

Die Lektüre schlägt sofort in Bann, auch weil Grenzfahrt eine weitere Dimension öffnet - die der Erinnerung. Zurück in jenem Dorf, am Ende des Lebens, will dem Vater des Erzählers nicht mehr einfallen, dass er hier Kind war. Wie Stasiuk diese Episoden in die atemlose Kriegserzählung hineinwebt, verleiht dem Roman seine poetische und existentielle Wucht.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
12. März 2023
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
355
Autor/Autorin
Andrzej Stasiuk
Übersetzung
Renate Schmidgall
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Produktart
gebunden
Gewicht
465 g
Größe (L/B/H)
212/132/32 mm
ISBN
9783518431269

Portrait

Andrzej Stasiuk


Andrzej Stasiuk, der in Polen als wichtigster jüngerer Gegenwartsautor gilt, wurde 1960 in Warschau geboren, debütierte 1992 mit dem Erzählband

Mury Hebronu (Die Mauer von Hebron)

, in dem er über seine Gewalterfahrung im Gefängnis schreibt. Stasiuk wurde 1980 zur Armee eingezogen, desertierte nach neun Monaten und verbüßte seine Strafe in Militär- und Zivilgefängnissen. 1986 zog er nach Czarne, ein Bergdorf in den Beskiden.


1994 erschienen

Wiersze milosne i nie (Nicht nur Liebesgedichte)

, 1995

Opowiesci Galicyjskie (Galizische Erzählungen)

und

Bialy Kruk (Der weiße Rabe;

1998 bei Rowohlt Berlin), 1996 der Erzählband

Przez rzeke (Über den Fluss

; diesem Band ist

Die Reise

entnommen) und 1997

Dukla

.


2002 erhält er den von den Partnerstädten Thorn (Polen) und Göttingen gemeinsam gestifteten Samuel-Bogumil-Linde-Literaturpreis. Den literarischen Jahrespreis Nike


erhielt Andrzej Stasiuk 2005 für sein Buch

Unterwegs nach Babadag.

Sein vielfach ausgezeichnetes Werk erscheint in 30 Ländern. 2016 wurde er mit dem Staatspreis für europäische Literatur 2016 ausgezeichnet.

Renate Schmidgall, geboren am 26. März 1955 in Heilbronn, ist deutsche Übersetzerin polnischer Literatur und lebt in Darmstadt. Sie studierte Slawistik und Germanistik in Heidelberg und war anschließend als Bibliothekarin am Deutschen Polen-Institut beschäftigt. Von 1990 bis 1996 arbeitete sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Seither ist sie als freie Übersetzerin tätig.


Pressestimmen

»Stasiuk hat mit Grenzfahrt nicht nur einen wunderbar sinnlichen Roman geschrieben, Farben, Gerüche, Stimmungen und Schicksale eingefangen. Er hat auch dem Polen des zwanzigsten Jahrhunderts, aus dem er kommt, ein Denkmal gesetzt.« Gerhard Gnauck, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Mit Grenzfahrt ist Andrzej Stasiuk erneut ein grandioser Roman gelungen, der hilft, wenigstens ansatzweise das vergangene, vielmals geschundene und verratene Polen zu verstehen und auch das heutige ...« Martin Pollack, Neue Zürcher Zeitung

»Mit seinem Roman Grenzfahrt führt uns der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk diese moralische Dringlichkeit vor Augen und zeigt, wie schnell der Mensch im Abgrund des Krieges zur elenden Kreatur werden kann.« Gerhard Zeillinger, Der Standard

»Mit Grenzfahrt hat Andrzej Stasiuk nicht nur sein bisher bestes, sondern auch spannendstes Buch geschrieben. Eine großartige Metapher über die Zweideutigkeit von Erinnerung und Geschichte.« Martina Boette-Sonner, Bayerischer Rundfunk

»Als Roman über Entwertung des Menschenlebens im Krieg, über Verrohung und die Auflösung der Moral hat Grenzfahrt schockierende Aktualität. Sein eigentlicher Protagonist ist die Landschaft selbst, die heute, etwas weiter im Osten, abermals zum blutigen Schindanger geworden ist.« Richard Kämmerlings, WELT AM SONNTAG

»Grenzfahrt, in der hervorragenden Übersetzung von Renate Schmidgall, ist eine Lektüre, die den Leser nicht mehr loslässt.« Martin Sander, SWR2 lesenswert Kritik

»Für seine Leserschaft gelingt Stasiuk ein ziemlicher Geniestreich. Denn er gibt jeder der sich befeindenden Parteien nicht eine, sondern mehrere Stimmen und zeigt, was unter dem dünnen zivilisatorischen Firnis lauert: Angst, Hunger, Gewalt, animalische Sexualität, Überlebenswille, Grausamkeit und bis in den Untergang die unerschütterliche Sturheit, jeweils im Recht zu sein.« Ellen Presser, Jüdische Allgemeine

»... die sinnliche Dichte, der Tonfall des Flüsterns, der bedrohliche Dämmerzustand[:] Man sitzt förmlich nachts an den klebrigen Küchentischen, raucht eine Zigarette mit.« Peter Helling, NDR

»Ein meisterhafter, sehr tiefgreifender Roman, der davon erzählt, wie viele kriegerische Ereignisse auf einem Landstrich lasten können, um davon auf lange Zeit geprägt zu sein.« Constanze Matthes, Zeichen und Zeiten

»... die Schilderungen, die Stasiuk versucht, sind von poetischer Eleganz und zeigen eine neue, zusätzliche Facette dieses großartigen Schriftstellers.« Lothar Struck, Glanz&Elend

Besprechung vom 21.12.2023

Rauch und Apfelernte
Andrzej Stasiuks neuer Roman "Grenzfahrt"

Andrzej Stasiuk, der seit Ende der Neunzigerjahre auch deutschen Lesern bekannt gewordene polnische Schriftsteller, hatte vor einiger Zeit seinen Plan offenbart, einen "historischen Roman" zu schreiben. Er hat Wort gehalten. Eigentlich ist man von ihm anderes gewohnt: Der Autor schrieb eine Art road novel ("Der weiße Rabe"), verarbeitete seine Zeit in einem kommunistischen Gefängnis - er war vom Militärdienst desertiert - oder das Leben in der Provinz, wo er sich bis heute wohler fühlt als in seiner Geburtsstadt Warschau. Später kamen reflektierende Reiseschilderungen hinzu ("Unterwegs nach Babadag"), Berichte über Expeditionen, die er oft gemeinsam mit seiner Frau Monika Sznajderman absolvierte, die Verlegerin nicht nur seiner Bücher ist. Die Reisen führten erst nach Südosteuropa und dann immer weiter nach Osten, bis nach China und in die Mongolei, und erinnern von den äußeren Umständen her oft an Survival-Touren.

Diesmal, im Roman "Grenzfahrt", bleibt Stasiuk im Lande, doch schreitet dafür weiter in die Geschichte zurück. Die Handlung spielt auf einer ersten Ebene im Juni 1941 im besetzten Polen, das zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt ist. Der Bug als neuer Grenzfluss und seine beiden Ufer sind Schauplatz der Begegnung von allerlei Menschen, die zumeist nicht freiwillig in diese Gegend gekommen sind. Die wichtigste Einheimische ist im Roman eine Frau, "braungebrannt oder dunkel wie eine Zigeunerin", die immer wieder begehrliche Blicke von Männern auf sich zieht. Nur vorübergehend hier sind dagegen deutsche Soldaten (wenige Tage später werden sie die Sowjetunion angreifen); ebenso ihre polnischen Gegner, die jetzt als versprengte, schwach bewaffnete Partisanen mehr abwarten als kämpfen, und zwei junge jüdische Flüchtlinge aus Warschau, Max und seine Halbschwester Doris. Diese beiden wollen über den Fluss, aus Hitlers in Stalins Reich, und so tun sie, was viele Menschen im Krieg zwangsläufig tun: Sie warten, und es entspinnen sich Gespräche, aber auch erotische Berührungen.

Über den Fluss zu kommen, dazu bedarf es fachmännischer Hilfe, und hier kommt Lubko ins Spiel, Einheimischer, vermutlich Ukrainer. Er ist der Fährmann, der gegen Geld bei Nacht Menschen in seinem Kahn ans andere Ufer bringt, immer in Gefahr, im grünen Phosphorglanz einer Leuchtrakete für die Soldaten auf beiden Ufern sichtbar zu werden. Am Ende wird die Jüdin um ein Haar vergewaltigt, und es gibt Tote.

Hin und wieder ist kapitelweise eine zweite Ebene eingebaut. Darin fährt der Erzähler, den wir für Andrzej Stasiuk halten dürfen, in der Gegenwart an die Schauplätze von einst. Am Bug liegt zugleich die Heimat der Familie, er kennt sie aus seiner Kindheit; er nimmt seinen offenbar dementen Vater mit auf die Reise in der Hoffnung, ihm noch etwas über die Kriegszeit zu entlocken: "Papa, was hast du denn im Krieg gemacht?" Nach längerer Pause die Antwort: "Ich habe Schuhe geputzt." Opas Schuhe? Oder die der deutschen Soldaten? Wir werden es nicht mehr erfahren. Die letzten Zeugen jener Zeit, sie sind kaum noch ansprechbar.

Und doch ist die Vergangenheit lebendig, denn sie war von ungeheurer Wucht. "Es gibt nichts Wichtigeres im Leben als den Krieg", berichtet uns der Erzähler von seinen Erkundungen. Das gilt erst recht für diese Region, die im Bannkreis der Rauchschwaden und des "schrecklichen, fettigen Gestanks" von Treblinka lebte oder noch immer lebt. Polen: "Ein Land der Angst. Ein Land der Trauer. Ein Land, vergessen von allen, und nur die Gruben und das Feuer bewirken, dass jemand daran denkt." Stasiuk versteht es wie kein anderer, in den Wunden und Komplexen seines Landes zu bohren. Die Polen sehen sich demnach "im Schlund der Geschichte", in einem "schwarzen Loch, dem schwarzen Arsch, Geiseln von Ost und West".

Nur zwei Sätze weiter erinnert sich der Erzähler an seine Kindheit: "Im Herbst sind wir immer zur Apfelernte aufgebrochen." Auch in der Apfelgroßmacht zwischen Oder und Bug geht die Geschichte weiter. Das Städtchen Drohiczyn am Bug, im Roman zu Dorohucza verfremdet, gibt es immer noch. Die Männer dort fluchen ebenso deftig und phantasievoll wie früher, was die bewährte Übersetzerin Renate Schmidgall in das fluchärmere Deutsch transponiert hat. Stasiuk hat mit "Grenzfahrt" nicht nur einen wunderbar sinnlichen Roman geschrieben, Farben, Gerüche, Stimmungen und Schicksale eingefangen. Er hat auch dem Polen des zwanzigsten Jahrhunderts, aus dem er kommt, ein Denkmal gesetzt. GERHARD GNAUCK

Andrzej Stasiuk: "Grenzfahrt". Roman.

Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Suhrkamp, Berlin 2023. 355 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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