Entgegen allen Hoffnungen gebärt die Tochter des Anführers des traditionellen Thunfischfangs nicht den ersehnten Enkelsohn, eine dritte Tochter ist es geworden. Die Inselbewohner Katrias sind erstaunt, als der Raìs das Mädchen trotzdem zu seiner Nachfolgerin erwählt, zu sich nimmt und ausbildet. Nora weiß noch nicht, was für ein schweres Erbe auf sie wartet, abhängig von den Besitzern der Tonnara, beeinflusst durch den Lauf der Welt.
Eleonora war eine Mogelpackung; sie war das Kind, das sich an die Stelle eines anderen geschoben und das niemand gerufen hatte. In jener Februarnacht, in der sie geboren wurde, hatten die Tonnaroti erkannt, dass selbst Gott nicht unfehlbar war, an Eleonora klebte der Fluch der Insel, und niemand konnte etwas dagegen tun. (Seite 10)
Alles begann im Jahr 1960, als der ersehnte Enkelsohn ausblieb und das abergläubische Inselvolk schlimme Auswirkungen befürchtete. Über fünfzig Jahre lang durfte ich ihnen über die Schulter schauen, nahm Anteil, hab getrauert, die Daumen gehalten, fühlte ihre Freude genauso wie ihren Schmerz. Die Bewohner der Insel mit ihren Ängsten und Sorgen, ihren Marotten und dem unerschütterlichen Glauben, dass alles gut wird, egal, was kommt, schlichen sich in mein Herz, nahmen dort Platz, machten sich breit und hielten es gefangen bis zuletzt. Das Beharren an einer Tradition, die sich im Laufe der Jahrzehnte auf Katria nicht verändert, aber irgendwann aus verschiedenen Gründen überholt hat, konnte ich verstehen, auch wenn der Thunfischfang auf eine blutige, um nicht zu sagen barbarische Art erfolgte. Die Beschreibungen faszinierten und stießen mich gleichermaßen ab.
Die Tonnara mit ihren vier Phasen hatte gerade begonnen: Cruciatu, das Spannen und Fixieren der Verankerungsseile, Calatu, das Ausbringen der Netze, Mattanza, das Töten, und Salpatu, das Einholen und Einlagern der Reusenanlage, wonach alles bis zum nächsten Jahr aus dem Kopf verbannt war. (Seite 55)
Die Geschichte konnte leise und melancholisch, aber auch stürmisch und ungezügelt sein, genauso wie das Meer, das die Insel umgab. Zu Beginn irritierten mich die vielen italienischen Begriffe, die zum Glück später immer wieder übersetzt worden sind. Die Sprache war schön, manchmal fast poetisch, ich fühlte mich wohl und wäre gerne geblieben, auch wenn der Zauber verging und die Tradition mit ihm. Ich fühle Sehnsucht nach Katria, würde gerne aufs Meer hinaus, zu den Wellen und zu dem Wind, bleibe dankbar dafür, dass ich dabei gewesen bin.