Im Buch -Robinsons Tochter- von Jane Gardam geht es um Polly Flint, die im Alter von sechs Jahren zu ihren Tanten, Aunt Frances und Aunt Mary, den Schwestern ihrer Mutter, geschickt wird, um bei ihnen zu leben. Polly ist eine Halbwaise, ihre Mutter starb vor Jahren, ihr Vater ist Kapitän auf einem Schiff, daher viel unterwegs und somit nicht in der Lage, sich angemessen um das Kind zu kümmern.
Die Tanten leben im sogenannten Gelben Haus, das eigentlich Oversands heißt und nahe an den Dünen und somit ziemlich abgelegen liegt. Obwohl Polly und die Tanten einander kaum kennen, nehmen sie das Mädchen sofort herzlich auf und die Kleine fühlt sich gleich heimisch.
Somit wird das Gelbe Haus schnell ihr neues Zuhause, in dem Polly viele Jahre lebt, und in das sie immer wieder gerne zurückkehrt. Hier lernt sie lesen, schreiben und Fremdsprachen, hier kommt sie zum ersten Mal mit Büchern in Kontakt und hier begegnet sie auch ihrem Lieblingsroman: -Robinson Crusoe- von Daniel Defoe.
Diese Geschichte liebt sie über alles, hat das Buch schon mehrmals gelesen und entwickelt sowas wie freundschaftliche Gefühle für den Protagonisten. Auch ihr eigenes Leben erinnert sie oft an eine einsame Insel, fernab jeder Zivilisation oder anderer sozialer Kontakte, auf der sie lebt. Doch natürlich liest Polly auch noch viele weitere Geschichten im Laufe ihres langen Lebens, doch keines ist ihr so lieb wie Robinson Crusoe. Der Protagonist begleitet sie durch ihr ganzes Leben.
So wächst Polly zu einer schönen, eher stillen, aber ziemlich gebildeten jungen Frau heran, die Bücher liebt, doch über die andere sagen, dass sie ihr Leben verschwende, da sie selten unter andere Leute als ihre Familie kommt. Doch trotzdem ist Polly zufrieden und beklagt sich nie über diesen Zustand.
In einem Jahr fährt sie schließlich über die Ferien nach Thwaite ins Thwaite House, um Arthur und seine Schwester (Lady) Celia Thwaite zu besuchen. Und dort lernt Polly auch zum ersten Mal die Liebe kennen
Der Titel Robinsons Tochter bezieht sich eindeutig auf Pollys Liebe zum Romanhelden von Daniel Defoe. Obwohl sie in ihrem Leben noch viele weitere Geschichten liest, bleibt Robinson immer ihr Lieblingsroman und -held. Da sie aufgrund ihres einsamen Lebens eine tiefe Verbindung zu Crusoes Jahren auf der Insel spürt, kann sie als sowas wie Robinsons imaginäre Tochter bezeichnen.
Eine weitere Auffälligkeit ist Pollys Nachname: Captain Flint ist eine Figur aus dem Roman -Die Schatzinsel- von Robert Luis Stevenson. Davon könnte Pollys Nachname inspiriert sein und gleichzeitig wieder einen Bezug zu Piraten- und Abenteuergeschichten herstellen und außerdem eine Anlehnung an den Beruf ihres Vaters sein.
Das Cover ist überwiegend in Blautönen gehalten und wunderschön. Es zeigt größtenteils den Himmel über dem Meer. Das ist wahrscheinlich die Marsch.
Unten links am Bildrand ist ein kleines Mädchen zu erkennen, das auf das Meer hinausblickt. Dabei kann es sich nur um Polly handeln.
Der Schreibstil ist flüssig und in einfachen und kurzen Sätzen geschrieben. Die Geschichte wird in der ich-Form aus Pollys Sicht erzählt. Das Buch hat keine Kapitel, sondern ist durchgehend in Abschnitte gegliedert.
Manchmal werden englische Begriffe im deutschen Text beibehalten. Beispielsweise gehen die Protagonisten konsequent zum Tea, und nicht zum Tee oder Teetrinken, wenn die Uhrzeit dafür gekommen ist.
Eigene Meinung:
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Die Geschichte ist wunderschön und die Figuren teilweise etwas skurril, jedoch sehr liebenswert. Eine Protagonistin, die ihre Liebe zum Lesen und zu Büchern lebt, dürfte doch etwas für jeden Lesebegeisterten sein.
Anfangs fand ich es etwas störend, dass das Buch keine Kapitel hat, sondern nur aus Abschnitten besteht. Mir persönlich fällt es dann manchmal schwer, die Handlungen voneinander abzugrenzen. Bei diesem Roman habe ich mich aber sehr schnell daran gewöhnt und es war dann gar kein Problem mehr.
Sehr schön fand ich auch, dass alle teilweise zu Anfang angedeuteten Vorkommnisse und Familiengeheimnisse aufgelöst wurden und die Geschichte in sich abgeschlossen ist. Somit bleiben keine offenen Fragen zurück.
Etwas schade hingegen empfand ich, dass gerade gegen Ende des Buchs größere Zeitsprünge stattfinden und mehrere Jahrzehnte aus Pollys langem Leben bis ganz zum Schluss dann übersprungen werden. Dabei endet die offizielle Geschichte an einer durchaus interessanten Stelle, deren Fortgang mich neugierig gemacht hat.
Auch hätte ich mir gewünscht, dass außer der Geschichte von Robinson Crusoe noch andere Storys fokussiert werden. Der Klappentext las sich für mein Verständnis ein wenig so, dass auch andere Bücher eine noch größere Rolle spielen könnten.
Obwohl ich speziell das letzte Kapitel ein bisschen seltsam finde, hat mir der Roman sehr gefallen. Und er weckt in mir die Lust, noch einmal das Abenteuer von Robinson Crusoe zu lesen.
Dies war mein erstes Buch von Jane Gardam und die Autorin war mir vorher nicht bekannt. Trotzdem überlege ich, eventuell weitere Bücher von ihr zu lesen.
Ich vergebe daher vier von fünf Sternen.