Schon während meiner Abiturzeit aber auch während des Germanistikstudiums war Bertold Brecht ein wichtiger Begleiter. Natürlich hat mich die Theorie des "Epischen Theaters", der Verfremdung (nicht an das Gefühl, sondern an den Verstand appellieren, Am Ende gibt es eine "Moral") interessiert und fasziniert. Ich habe zahlreiche Aufführungen von Brechtstücken gesehen.Mich haben aber auch seine Briefwechsel interessiert. Nun hat Unda Hörner zum 125. Geburtstag des Schriftstellers seine Frauenbeziehungen recherchiert und auf unterhaltsame Weise aufgrund von Briefwechseln und Tagebucheinträgen in seinem "Journal" rekonstruiert. Unda Höner vertritt in ihrem Buch die These, dass Brechts werk diskursiv, im Gespräch und in der Auseinandersetzung mit "seinen" Frauen entstanden sei:"Brechts Frauen sind das Gegenbild zur klassischen Muse, die vielleicht Geliebte ist, aber stets jenseits des Arbeitsprozesses bleibt. Brechts Werk ist weiblich." Brecht, geboren 1898, lernt die Sängerin Marianne Zoff 1920 in Augsburg kennen, wandelt mit ihr durch seine Heimatstadt Augsburg und erzählt ihr seine Lebensgeschichte.Aber es gibt auch Paula Banholzer in seinem Leben, das vergisst er zu erwähnen. Brecht hat sich als Abiturient in sie verliebt. Während seines Studiums schreibt er ihr sehnsüchtige Briefe. Sie ist allerdings nicht die einzige Frau in seinem Leben...Paula wird schwanger, Brecht will sie heiraten, der Vater stimmt nicht zu. 1919 wird das Kind geboren. Es wird später von Pflegeeltern großgezogen. Brecht widmet sich seinem politischen Engagement und seinen ersten Erfolgen als Schriftsteller. 1921 ist Marianne schwanger von Brecht. Sie verliert das Kind und wir abermals schwanger.Brecht möchte mit beiden Frauen leben, aber beide lehnen es ab.1922 heiratet Brecht Marianne Zoff, die schwanger ist, 1923 wird die Tochter Hanne geboren. 1923, mitten in der Inflation, begegnet Brecht der Schauspielerin Helene Weigel.Auch zu ihr geht der Schriftsteller eine Beziehung ein. "Anders als Paula Banholzer oder Marianne Zoff gelingt es der Weigel, Brecht als den zu sehen und zu lieben, der er ist - ein von nur wenig Skrupeln geplagter Mann, der die antibürgerliche Lebensweise gleichsetzt mit dem Recht, allen Frauen zur gleichen Zeit treu und untreu zu sein."Helene Weigel ist sogar in Brechts Auftrag unterwegs, um Paula nach Berlin zu holen.Marianne ahnt von der Beziehung Brechts zu Helene Weigel, die 1924 ein Kind von ihm bekommt. Brecht leugnet ihr gegenüber alles.1925 ist Marianne Zoff schwanger von Brecht, der ihr rät: "Wenn du das Kind willst, bekomm?s." Sie wird es nicht bekommen. Helene Weigel kümmert sich um das gemeinsame Kind und versucht auch weiterhin ihre Karriere als Schauspielerin zu verfolgen.1927 lässt sich Marianne scheiden, Brecht ist eifersüchtig auf die neue Beziehung zu dem Schauspieler Theo Lingen.1928 findet die Uraufführung der "Dreigroschenoper" statt. Brecht und Weill, aber auch einige der brillanten Schauspieler*innen stehen im Rampenlicht. Auch Elisabeth Hauptmann, die das Buch zur Dreigroschenoper aus dem Englischen übersetzt hatte, erntet beruflichen Erfolg. Auch sie wird eine von Brechts Frauen. Und sie arbeitet für ihn als Organisatorin und Assistentin. In dieser kreativen Zusammenarbeit entwickelt sie sich auch als Schriftstellerin weiter und befreit sich aus der emotionalen Beziehung zu Brecht. Die gemeinsame Arbeit wird fortgesetzt. 1929 heiratet Brecht Helene Weigel, die sich durchaus bewusst ist, dass diese Tatsache nichts an der Lebensführung ihres Mannes ändern wird. Und Carola Neher, eine Schauspielerin aus dem Ensemble, macht Brecht eine Szene.1930 wird ein weiteres Kind von Helene Weigel und Brecht geboren.Aber die Jüdin Weigel gerät auch ins Visier der Nationalsozialisten. Margarete Steffin, Mitglied des Ensembles und engagierte linke Aktivistin, wird Teil der Weigel-Brecht-Beziehung. Margarete wird schwanger, es erfolgt ein Schwangerschaftsabbruch. Sie quält sich sehr mit ihrer Eifersucht, bleibt aber dennoch treu ergeben. Von Paris versucht sie das literarische Erbe der vertriebenen Künster*innen zu vermarkten. 1933 fliehen Brecht und Weigel vor den Nationalsozialisten aus Berlin in die Schweiz.Seine literarischen Werke so wie die zahlreicher anderen Autor*innen fallen der Bücherverbrennung in Deutschland zum Opfer. Die Familie zieht von der Schweiz nach Dänemark.Brecht macht sich mit Margarete Steffin auf eine Reise nach Frankreich, wo sich viele Schriftsteller*ìnnen im Exil aufhalten. Aber auch Ruth Berlau taucht im Leben der Brecht-Familie auf, Schauspielerin und kommunistische Aktivistin. Sie inszeniert seine Theaterstücke in Dänemark. 1939 zieht Brecht mit Helene Weigel, Ruth Berlau, Margarete Steffin nach Schweden. Und die Idee zu "Mutter Courage" entsteht. Das Stück wird 1941 in Zürich aufgeführt. 1940 reist Brecht mit seiner "erweiterten" Familie nach Finnland, 1941 weiter in die USA nach Santa Monica.Margarte Steffin kann die Reise nicht mehr antreten. Sie verstirbt mit 33 Jahren Die Zeit im finnischen Exil ist produktiv. Brecht entwickelt, meistens in Kooperation mit einer "seiner" Freuen neue Stücke.Helene Weigel kommt die Rolle der Familienmanagerin zu. Sie organisiert, kocht und kümmerst sich um die Großfamilie.Ruth Berlau verlässt den Familienclan in Richtung New York. Und Brecht folgt ihr für einige Monate.Er kehrt zu Helene zurück, Ruth ist schwanger, das Kind stirbt kurz nach der Geburt, sie erleidet einen Nervenzusammenbruch und muss in eine psychiatrische Klinik.Brecht und Weigel gehen 1948 in die Schweiz, sie kann endlich wieder als Schauspielerin arbeiten. Und Ruth Berlau ist wieder dabei um alles zu fotografieren.Die nächste Station ist Berlin, Ostberlin und die Gründung des Berliner Ensembles 1949. Und sie feiern ihren Erfolg mit "Mutter Courage".Auch Elisabeth Hauptmann stößt wieder zu ihnen.1956 verstirbt Brecht. Helene Weigel und Elisabeth Hauptmann verwalten sein literarisches Erbe.Das Buch ist eine chronologische Aufzählung der Frauenbeziehungen. Wir erfahren leider wenig über die Sicht der Frauen. Noch weniger erfahren wir, wie es eigentlich den Kindern ging, die zwar gezeugt wurden, wie selbstverständlich von den Müttern versorgt wurden, an denen der Vater jedoch wenig Interesse zeigte. Für mich wird jedoch auch deutlich, dass Brecht, bei aller Genialität, vor allem mit sich selber beschäftigt war. Seine Vorstellung einer offenen, modernen, nicht regelkonformen Beziehung bezog sich wohl hauptsächlich auf seine Freiheiten, nicht die seiner Frauen. Die wollte er lieber für sich allein. Trotzdem ist es ein lesenswertes Buch, ein Blick auf einen großen Schriftsteller, der ohne die Frauen an seiner Seite nicht zu dem geworden wäre. Und es ist ein spannender Blick auf ein Stück Zeitgeschichte. Frauen der Weimarer Republik, die sich emanzipieren und die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus, die neben anderen Gräueltaten, die Literatur vernichtete und Schriftsteller*innen ins Exil trieb.