Besprechung vom 15.02.2018
Liebeserklärungen an eine Geschundene
Ganze literarische Welten passen zwischen die feuerroten Leineneinbände dieser eigentlich so schmalen Büchlein. Schon seit dreißig Jahren gibt es die Reihe, und jede Neuerscheinung erfreut den italophilen Leser. Nun also Venedig. Ist über diese Stadt aber nicht schon alles und jedes viel zu oft geschrieben worden? Keineswegs. Die Herausgeberin hat eine bestechende Auswahl an Texten zusammengestellt. Ihre Autoren stammen fast alle aus der Lagunenstadt oder sind Venezianer im Herzen. Vor allem aber geht es nicht um einen verklärenden Blick auf die Stadt; sämtliche versammelten Texte sind nach 1945 entstanden. Cesarina Vighy beschreibt das Venedig ihrer Kindheit und den Tag der Befreiung vom Faschismus. Gaston Salvatore analysiert das Können der Musiker in den berühmten Cafés "Florian" und "Quadri" auf dem Markusplatz. Ginevra Lamberti rechnet lakonisch mit dem Karneval ab, und Antonio Scurati imaginiert Untergang und Wiederauferstehung Venedigs im Jahr 2027. Das Elend der in der sensiblen Lagune ankernden Kreuzfahrtschiffe beschreibt drastisch Roberto Ferrucci. Zu den schönsten Geschichten gehört Ulrich Tukurs surreale Liebeserklärung an Venedig. Dazwischen eingestreut, finden sich allerlei Fußnoten. Eigentlich wollte man nie mehr nach Venedig reisen, zu bitter scheinen die Verheerungen, die der Massentourismus der Stadt zugefügt hat. Zum Glück gibt es nun wenigstens dieses wundervolle Buch mit all seinen intelligenten, reflektierten und auch poetischen Beiträgen.
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"Venedig - eine literarische Einladung", herausgegeben von Susanne Müller-Wolff. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2017. 144 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden
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