Besprechung vom 06.07.2018
Allen Feinden zum Trotz
Pawel Machcewicz seziert polnische Geschichtspolitk
Das Danziger Museum des Zweiten Weltkriegs sollte ursprünglich ein Gegengewicht zum von Erika Steinbach geforderten "Zentrum gegen Vertreibungen" schaffen. Heute erinnern sich selbst interessierte Beobachter der deutsch-polnischen Beziehungen kaum noch daran. So stark prägte der Konflikt zwischen der Direktion und dem seit Ende 2015 von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) geführten Kulturministerium selbst die internationale Wahrnehmung des Museums.
Erstere wollte ein Museum schaffen, das den Krieg und insbesondere das Leid der Zivilbevölkerung im besetzten Europa aus polnischer Perspektive zeigt, Letzteres einen Ort der nationalen Selbstvergewisserung, der Heldenmut und Widerstand ins Zentrum rückt. Mit Pawel Machcewiczs "Der umkämpfte Krieg" liegt nun eine erfrischend subjektive Darstellung dieser einschneidenden erinnerungskulturellen Auseinandersetzung im Polen der letzten Jahre vor. Der 1966 geborene Autor, einer der wichtigsten polnischen Zeithistoriker, war Ideengeber, Gründungsdirektor und bis zu seiner Entlassung letztes Jahr Gegenpart der von geschichtspolitischem Sendungsbewusstsein erfüllten PiS-Politiker.
In seinem Ende letzten Jahres erschienenen Buch, das nun auf Deutsch vorliegt, schildert er in mitreißendem Ton, wie aus einem Zeitungsessay in zehn Jahren harter Arbeit eines der modernsten Museen Europas wurde. Dabei beschreibt er seine Wandlung vom bücherschreibenden Historiker zum in seine Sammlung verliebten Museumsleiter ebenso spannend wie die Angriffe aus nationalkonservativen Kreisen. Die Hälfte des Buches ist dem Überlebenskampf des Museums nach dem Wahlsieg der PiS gewidmet und wie es gelang, das Museum aller Feindseligkeiten zum Trotz zu eröffnen.
Wer sich für den Entstehungsprozess eines historischen Museums interessiert oder für das Ringen der polnischen Gesellschaft mit den unterschiedlichen Deutungen ihrer Geschichte, dem sei dieses Buch empfohlen. Mehr noch aber allen, die einen Eindruck gewinnen wollen, wie Geschichtspolitik hierzulande aussähe, würden sie jene gestalten, die das Recht einfordern, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.
STEPHAN STACH.
Pawel Machcewicz: "Der umkämpfte Krieg". Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Entstehung und Streit. Aus dem Polnischen von Peter Oliver Loew. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2018. 254 S., br.
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.Es wurden noch keine Bewertungen abgegeben. Schreiben Sie die erste Bewertung zu "Der umkämpfte Krieg" und helfen Sie damit anderen bei der Kaufentscheidung.