"Herz der Finsternis" ist ein Klassiker, der insbesondere im Kontext der literaturwissenschaftlichen Kolonialismuskritik auch heute noch viel diskutiert wird. Man muss sich bei der Lektüre natürlich vor Augen halten, dass Conrads Werk bereits 1899 erschien und es vor dem Hintergrund dieser Zeitgeschichte lesen. Conrad begibt sich mutig mitten ins "Herz der Fisnternis". Seine frühe Kolonialismuskritik ist subtil, aber sicher mutig. Er prangert eindeutig die Folgen des Missionierungswerkes an, inklusive der wirtschaftlichen und menschlichen Ausbeutung und des Leids, dass diese Praxis im "schwarzen" Kontinent auslöste. Dabei ist es sein Romanheld Marlow, der als Kapitän einen Flussdampfer auf dem Kongo steuert mit dem Auftrag, den Erkrankten Elfenbeinhändler Kurtz abzuholen. Conrad begnügt sich dabei damit, Marlow die Rolle eines distanzierten Beobachters zuzuweisen: fähig, Missstände wahrzunehmen und präzise zu beschreiben, hütet sich aber vor vorschnellen Bewertungen. Das ist sicher der damaligen Zeit und ihren Umständen geschuldet. Es schmälert widerum nicht die Bedeutung dieses Werkes für die weitere Entwicklung einer kolonialismuskritischen Perspektive. Kolonialismuskritik heute geht natürlich viel weiter. Es wird kein Blatt vor dem Mund genommen und das barbarische Treiben der vermeintlichen Zivilisierten viel unverblümter aufgezeigt und problematisiert. Dabei geht es heute auch viel um political correctness in sprachlicher Hinsicht. Wertvoll finde ich die Erläuterungen im Nachwort, weshalb das Werk heutzutage als rassistisch eingestufte Begrifflichkeiten beibehält. Ich finde diese nachvollziehbar und denke, eine Tilgung derselben würde Conrads eigentümliche und subtile Kolonialismuskritik, die literaturgeschichtliche Besonderheit seines Werkes letztlich, ausmerzen. Die Schilderungen des Geschehens auf und rund um den Kongo sind zum Teil sehr atmosphärisch, auch wenn das Geschehen phasenweise etwas vor sich hinzuplätschern scheint. Mir hat das Werk letztendlich gut gefallen, auch wenn diese Art von Abenteuerliteratur normal so gar nicht zu meinen bevorzugten Genres zählt. Ich bin froh, dieses bedeutende Werk nun endlich gelesen zu haben und empfehle es gerne weiter für alle, die an einem zeitgeschichtlich unverfärbten Blick auf das koloniale Geschehen interessiert sind.