In der »Zone« aufwachsen, heißt abgebrüht sein von Geburt an. Die Zone, das ist ein Armenghetto im Lyon der dreißiger und vierziger Jahre, in dem die Vogelfreien leben. Im Mittelpunkt dieses Schmelztiegels polnischer, rumänischer, deutscher, italienischer, arabischer, jüdischer Einwanderer stehen die beiden Kneipen (die eine von Feld, die andere von Feltin) und Ledernachts Lumpenladen, in dem sich die ganze Siedlung mit Kleidern voller Wanzen eindeckt. Raufereien sind der beliebteste Zeitvertreib, unter Erwachsenen wie Kindern herrscht fröhliche Promiskuität, Kleinkriminalität ist Ehrensache, Mord und Totschlag geschehen eben, und allenthalben lauert der Wahnsinn. Doch alle träumen auf ihre Weise vom Ausbruch. . .
In seinem ersten, inzwischen klassischen Roman hat Louis Calaferte seinen Freunden und Gefährten ein trotziges Denkmal gesetzt: ein bei aller Drastik der geschilderten Umstände wehmütiger, ja zarter Abgesang auf die eigene Kindheit. Ein notwendiges Buch, in dem man sich verlieren und an dem man Anstoß nehmen kann; große Literatur von eigenwilliger Schönheit, packend von der ersten bis zur letzten Seite, ein fiebriger Text auf Augenhöhe mit Célines »Reise ans Ende der Nacht« oder Pasolinis »Ragazzi di vita«.
Empfohlen von Georges-Arthur Goldschmidt für die Finnegan's List 2012.
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