Meine anfängliche Begeisterung, einen Schmöker mit tiefgründigerem Thema zu lesen, ließ nach und änderte sich schnell in Unglauben und Enttäuschung. Anfangs konnte ich über einige Klischees hinwegsehen und habe diese der erzählten Zeit zugeschrieben, 1950er in Italien. Es darf auch mal ein wenig romantisch und etwas überzeichnet geschildert werden, wenn es sich noch glaubhaft und natürlich anfühlt. Und bis zur Hälfte des Buches würde ich sagen, dass es genau diesen Charakter hatte. Erst durfte ich miterleben, wie Marisa nach der ungewollten Schwangerschaft von ihrem Verlobten verlassen wird und beobachten, wie Stelvio Ansaldo, der Lehrling ihrer Eltern, über diese Schwangerschaft hinwegsieht und trotz aller Umstände Marisa heiratet. Ich kann zuschauen, wie zwischen den beiden eine traumhafte Liebe wächst und wie sich das anfängliche Unglück ins absolute Glück mit zwei Kindern entwickelt. Bis eine Tragödie geschieht und die Tochter Betta Opfer eines Verbrechens wird und stirbt. Die Familie bricht auseinander und Bettas Cousine Miriam stürzt ab. Warum Miriam so leidet, scheint keiner in der Familie zu sehen, bis Leo und dessen Schwester Corallina in ihr Leben treten.Mit der ersten Hälfte des Romans bin ich gut klargekommen. Die Erzählweise ist eher nüchtern, aber unterhaltend. Dadurch bin ich Beobachterin des Geschehens, aber kann trotzdem gut die Handlungsweise der Figuren nachvollziehen. Der Schreibstil hat Sogwirkung, das ist der Grund, warum ich dieses Buch zu Ende lesen konnte, aber ab der zweiten Hälfte verändert sich die Story. Die Familie Ansaldo tritt in den Hintergrund und Miriam, Leo und Corallina stehen im Vordergrund. Ab da erschien mir alles sehr konstruiert, unglaubwürdig und leider auch etwas zu seicht. Zu den vorher schon dramatischen Ereignissen kam noch mehr Drama dazu und irgendwann war es mir einfach zu viel des Guten. Schade, denn die Geschichte hatte so viel Potenzial, aber leider hat die Art der Umsetzung mir nicht gefallen. Erzählkunst top, Geschichte leider zu kitschig.S.128 ¿Er nahm die belebte Allee, die vom Bahnhof zur Strandpromenade führte und versuchte, sich klarzumachen, dass Betta tatsächlich tot war - ausgerechnet sie, die Lebendigste von allen. In einer einzigen Sommernacht war sie aus ihrer aller Leben verschwunden. Allein bei dem Gedanken daran verstummte die Musik in seinem Kopf, so als wäre es unmöglich, in einer Welt, in der so schreckliche Dinge geschahen, zu Harmonie zurückzufinden.¿S.270 ¿Leo hatte viel Liebe zu geben, aber er schämte sich dafür, weil man ihm von klein auf eingetrichtert hatte, er dürfe als Mann keine Schwäche zeigen. Corallina war fest davon überzeugt, dass jemand wie Miriam ihn von diesem Irrtum befreien und ihm so eine ganze Bandbreite an Gefühle entlocken konnte.¿