Familien, so erklärt uns Anne Tyler in ihrem Roman "Eine gemeinsame Sache¿ ("French Braids¿ im Original), sind wie französische Zöpfe. Wenn man sie auflöst, hinterlassen sie Wellen im Haar. Eine Metapher, die durchaus ihre Schwachstellen hat, aber die Grundaussage ist klar: unsere Familien prägen in der Regel unser Leben für den Rest unseres Daseins. Drücken uns sozusagen ihren Stempel auf.Und so ist es natürlich auch in der Familie Garretts, die erstmal aus den Eltern Mercy und Robin und ihren drei Kindern Alice, Lily und David besteht. Über die Handlung lässt sich nicht allzu viel sagen. Wir befinden uns in Baltimore im Jahre 1959 und begleiten von dort aus die Garrettsens durch Tiefen und Höhen und Jahrzehnte. Das klingt vielleicht nicht nach sonderlich viel Nervenkitzel, ist aber durchaus interessant. Denn Familiengeschichten schreiben, das kann Anne Tyler. Ich habe mehrmals gelesen, dass viele Tyler-Fans von "Eine gemeinsame Sache¿ enttäuscht waren. Dass sie die Figuren farblos fanden, sich gelangweilt haben. Ich kann das nur teilweise nachvollziehen. Die Stärken dieses Romans liegen eindeutig bei dem Elternpaar Mercy und Robin. Die Beleuchtung einer Ehe, in der der eine Teil die altbewährten Strukturen beibehalten will, der andere aber das Bedürfnis hat, aus ihnen auszubrechen und eine ganz eigene Freiheit zu gewinnen, fand ich sehr gut umgesetzt. Im Laufe des Buches kann man allerdings das Gefühl kriegen, dass Tyler etwas die Luft ausgegangen ist. Die Geschichten der Kinder und Enkelkinder werden immer eiliger, fast schon etwas lieblos, abgehandelt. Da hätte ich mir entweder mehr Länge und Tiefgang oder einen früheren Abschluss gewünscht. Der Argon Verlag hat mit Dagmar Bittner als Sprecherin eine gute Wahl getroffen. Es macht Spaß, ihr dabei zuzuhören, wie sie den einzelnen Personen Leben einhaucht. Und dabei auch deren Entwicklung im Laufe der Geschichte berücksichtigt. Ihr zuzuhören war ein echtes Vergnügen.Zusammengefasst gibt es aus meiner Warte also ein paar kleinere Einschränkungen, aber im Großen und Ganzen finde ich "Eine gemeinsame Sache¿ durchaus gelungen und hörens- und/oder lesenswert. Also: Hörempfehlung!