Auf ihr Pfeifen reagiert der Border Collie nicht. "Anton" ist wieder einmal unterwegs. Bette Hansen ist in ihr leerstehendes Elternhaus, eine alte Reetkate in Ochsenwerder, gezogen. Mit 53 Jahren ist sie unfreiwillig aus dem Polizeidienst ausgeschieden. Die Diagnose einer Narkolepsie ließ ihr keine andere Wahl. Einen Schreibtischposten im Innendienst lehnte sie ab.Wenigstens hier fällt sie, im Gegensatz zur Stadt, mit ihrer Krankheit und den damit verbundenen Symptomen nicht auf. Hier kennt man sie und sowieso jeder jeden. Früher als Einengung verstanden, sind es heute wohltuende Rahmenbedingungen, aus dem Nichtstun irgendwie herauszukommen. Hilfreich sind Hund Anton, der stets für Bewegung sorgt, sowie Mitbewohner Tyler, der mit zwanzig Jahren von seinem Vater, einem ehemaligen Schulfreund Bettes, hinausgeworfen wurde...Nicht nur Tylers Vater bildet eine Brücke in längst vergessene Tage, sondern auch und besonders jene Personen, die in Zusammenhang mit einer Entführung 1986 stehen. Bettes Freundin Anna starb damals unter tragischen Umständen. Der ebenfalls entführte Daniel, heute 52 Jahre alt, wurde mit einer Lösegeldforderung losgeschickt, doch eine Sturmflut machte die Pläne zunichte. Helen, heute mit dem Arzt Amar Hallak verheiratet ist, war damals bei der Entführung ebenfalls dabei, konnte aber fliehen ...Der aktuelle Mord an einem jungen Mädchen reißt längst verheilte Narben auf und stellt Verbindungen zu den damaligen Vorfällen her. Inwieweit das zutrifft, ist die Aufgabe von "Tiefergrund", dem zweiten Band mit der Ermittlerin Bette Hansen. Diese Figur, durch ihre Krankheit gezeichnet, hat durchaus Serienpotential, auch wenn sie am Ende verkündet, sich "nie wieder in eine Ermittlung einzumischen". Wer's glaubt ...Ansonsten ist der Roman wie viele andere, aber sehr professionell, aufgebaut. Auffallend neue Elemente gibt es nicht wirklich. Herausragend sind dennoch die Hauptfigur sowie die eindringlichen Beschreibungen der Hamburger Marschlande. Völlig aus dem Rahmen fallen dann aber die Kapitel der Auflösung. Diese muss, wenn auch sehr vorsichtig, erwähnt werden, denn mit einem solchen Täter bekommt man es wirklich nicht alle Tage zu tun.