Keine Angst vor der Zukunft: Ein Ingenieur zeigt, wie wir Nachhaltigkeit und Wohlstand in Einklang bringen
Achim Kampker ist Professor, Forscher, verheirateter Vater von fünf Kindern und bekennender Katholik. Der visionäre Ingenieur arbeitet an der Stadt der Zukunft, die er Humanotop nennt. Er will uns allen Hoffnung machen und sagt:
»Die Meldungen über Auswirkungen des Klimawandels treiben mich um. Schlechte Nachrichten und Zukunftsangst bestimmen das Leben von vielen. Dabei steht fest: Wir können nicht länger abwarten oder nur verhalten reagieren. Und wir können die Mammutaufgabe auch nicht allein an die Politik delegieren. Wir müssen alle mitmachen! Aber wie kann es gehen?
In seinem Sachbuch gibt Prof. Dr. Achim Kampker Antworten auf viele der drängenden Fragen:
Der erfahrene Ingenieur beschreibt eine umsetzbare Vision für ein nachhaltiges Leben und ermutigt: »Für viele Probleme gelingt eine pragmatische Lösung durch die Kombination vorhandener Technologien mit einem regionalen Masterplan. Überall auf der Welt arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, die schwierige Lage in den Griff zu bekommen. Sie versöhnen technischen Fortschritt mit Umweltschutz. Dabei geht es auch um die Sicherung von Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort mit nachhaltiger Ausrichtung.
Hoffnung für die Zukunft:
Umwelt- und Klimaschutz sind eine Marathon-Aufgabe. Doch im Grunde ist schon alles da, was wir brauchen, um ökologisch vernünftig zu leben. Wir müssen die einzelnen Bestandteile nur wie beim Puzzle zu einem Gesamtbild verbinden. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir keine Angst vor Veränderung haben, sondern sie als Chance begreifen. Lassen Sie uns den Aufbruch wagen! «
Besprechung vom 16.12.2024
Dem Fortschritt eine Bühne
Technikvisionen für eine Stadt der Zukunft
Der Fortschritt hat derzeit einen schlechten Leumund, was an einer unter diesem Begriff angetretenen und kürzlich zerbrochenen Regierungskoalition liegen mag oder auch am allerorten grassierenden Pessimismus. Da erscheint es zunächst höchst willkommen, wenn ein Autor dem technischen Fortschritt eine Bühne bereitet, zumal es sich bei Achim Kampker um einen der profiliertesten Ingenieure des Landes handelt. Kampker ist Maschinenbauer und Professor an der RWTH Aachen. Als Unternehmer versuchte er sich mit der Gründung von Streetscooter, einem Hersteller elektrischer Paketfahrzeuge. Im Jahr 2019, die Fridays-for-Future-Bewegung war gerade auf dem Höhepunkt ihrer Wirkmacht, gründete er den Verein "Ingenieure retten die Welt". In gewisser Weise fasst der Name des Vereins den Inhalt des von Kampker nun vorgelegten Bandes "Zukunftslust" zusammen, er bekennt schon im ersten Kapitel, sich von den Unkenrufen der Apokalypse nicht anstecken lassen zu wollen.
Am Beispiel seiner Wahlheimat Aachen nimmt Kampker den Leser anfangs auf eine Zeitreise mit, die von der Entdeckung des Feuers, für ihn die erste Technologie der Menschheit, bis ins Jahr 2050 reicht. Die in der Zukunft zu besichtigenden Artefakte der Ingenieurskunst eint, dass sie Wohlstand mit Kreislaufwirtschaft, klimaneutralem Wachstum und Erhalt der Artenvielfalt verbinden, mithin also nicht das Narrativ des Verzichts bedienen. Deutlich wird das am Beispiel einer Landwirtschaft, die sich einerseits der geringstmöglichen Flächenintensität verschreibt, andererseits aber mithilfe von KI-gesteuerten Robotern eine hohe Produktivität erreicht. Hühner und Fische werden dereinst mit in Containern gezüchteten Insekten gefüttert, die wiederum von Abfällen aus der Nahrungsmittelproduktion leben. Ähnlich nachhaltige Innovationen findet Kampker für Energieversorgung, Verkehr und Wohngebäude. Fast immer steckt hinter den geschilderten Technologien ein junges, real existierendes Unternehmen, oft Gründungen seiner Absolventen.
Zwei Dinge sind bemerkenswert an Kampkers Technikvisionen, die etwa die Hälfte des Buches einnehmen: Erstens plädiert er vehement für einen technologieoffenen Ansatz. Für jemanden, der seit mehr als 15 Jahren an batterieelektrischen Fahrzeugen forscht, ist es keinesfalls selbstverständlich, auch Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe als nützlich anzusehen. Gern folgt man Kampkers Einsicht, dass es die eine Technologie nicht geben wird, die all unsere Probleme löst. Zweitens macht es einem der Autor leicht, ihm zu folgen. Auf Fachsprache verzichtet er fast völlig, und wo ein Begriff missverständlich sein könnte, etwa der des maschinellen Lernens, folgt eine Erläuterung, die keinerlei einschlägige Vorkenntnisse erfordert.
Das zentrale Kapitel folgt nach der Aufzählung, dem Autor dämmert es, dass Fortschritt, gesellschaftlicher zumal, nicht nur aus beliebigen Einzeltechnologien besteht: "Wir brauchen einen Fixstern, um unsere Innovationen in die richtigen Bahnen zu lenken." Und diesen Stern verortet Kampker im "Humanotop", also einem dem Menschen würdigen Lebensraum, in dem Energie, Lebensmittel, Gebäude und Mobilität inklusive der notwendigen Infrastruktur vorrangig aus eigenen Ressourcen gewonnen, betrieben und genutzt werden. Die Trennung von Zivilisation und Natur ist im Humanotop vollständig aufgehoben, ebenso wie die funktionale Trennung von Wohnen, Arbeit und Freizeit.
Nun ist die Frage, wie man vom Ist- zum Sollzustand kommt, äußerst relevant, vielleicht sogar die ökonomisch entscheidende Frage. Dies gilt umso mehr für über 2000 Jahre gewachsene Städte wie Aachen, das Kampker zufolge eine Art Muster-Humanotop werden könnte. Freiheitsbeschränkungen lehnt der Autor in aller Deutlichkeit ab, er plädiert für das Testen neuer Lösungen mithilfe privaten Kapitals. Dafür sollte der Staat statt überbordender Bürokratie Innovationszonen bereitstellen - eine Art Freihandelszone für Ideen. Jede Region solle sich zudem einen eigenen, auf die lokalen Gegebenheiten passenden Masterplan stricken.
Spätestens an dieser Stelle vermisst der Leser allerdings einen etwas akademischeren Ansatz, der Maßnahmen, Effekte und Kosten quantitativ beschreibt. Denn dass technischer Fortschritt Klima und Umwelt erheblich entlasten kann, ist bekannt, seit Ernst Ulrich von Weizsäcker 1995 das Buch "Faktor vier" publizierte und Jahre später auf "Faktor fünf" erhöhte. Allerdings kam Weizsäcker trotzdem zu dem Schluss, dass maximale Ressourcenproduktivität nicht ausreiche, der wachsenden Menschheit ein Leben in Wohlstand zu ermöglichen. Dagegen zu argumentieren, fängt Kampker gar nicht erst an. Zumal er dafür die von ihm verwendeten Zahlen mit Quellen hätte belegen müssen.
Der Verzicht auf ein Literaturverzeichnis sowie das konsequente Duzen der auftretenden Personen mögen jüngeren Lesern den Zugang erleichtern, für alle anderen handelt es sich schlicht um einen eklatanten Mangel. Kampker schließt den Band im Ratgeberstil mit vier persönlichen Empfehlungen an den Leser. Mit dieser Verantwortungsverschiebung vom Politischen ins Individuelle muss man nicht einverstanden sein. Trotzdem kann man nur hoffen, dass eine Beobachtung, die der Autor aus der Perspektive des Jahres 2034 macht, eines Tages zutrifft: "Wir haben aufgehört zu reden und sind ins Machen gekommen." JOHANNES WINTERHAGEN
Achim Kampker: Zukunftslust - Woran wir heute forschen. Was wir längst über das Morgen wissen. Und weshalb wir Hoffnung haben können. Verlag bene! bei Droemer Knaur, Solms 2024, 240 Seiten
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