"Mehr als binär von Alok Vaid-Menon ist ein sehr wichtiges und toll gestaltetes Buch, das uns alle einlädt, über die Kategorien "Mann" und "Frau" hinauszudenken. Das Buch können/sollten alle lesen, die sich mit dem Alltag von nicht-binären und gendernonkonformen Menschen befassen möchten oder für diejenigen, die selbst noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität sind.
Das Buch ist einerseits sehr persönlich, da es viel von Aloks eigener Lebensgeschichte und seinem Werdegang zu sich selbst erzählt. Gleichzeitig ist es aber auch ein sehr politisches und aktuelles Buch, da es von Vorurteilen und Vorwürfen berichtet, mit denen gendernonkonforme Menschen jeden Tag zu kämpfen haben.
Das Buch ist zwar relativ kurz, enthält aber wirklich jede Menge kluger Worte und Gedanken. Es ist eine gute Grundlage, um sich Gedanken darüber zu machen, was allgemein als "normal" angesehen wird. Besonders wenn sich jemand bisher noch nicht mit diesem Thema befasst haben sollte, gibt es hier wirklich gute Denkanstöße, um seinen Horizont zu erweitern.
Das Buch wurde ganz großartig übersetzt von Linus Giese und Charlotte (Luca Mael) Milsch. Auch die wunderschönen und farbenfrohen Illustrationen von Julius Thesing sind ein echtes Highlight dieses insgesamt großartigen Buchs. Von mir bekommt es eine ganz klare Leseempfehlung!
"Was mir so schmerzlich bewusst ist: zwischen dem, was Menschen sehen, und dem was ich tatsächlich bin, gibt es einen großen Unterschied. Die tödlichste Waffe des Menschen ist nicht die Faust; es sind die Augen. Was Menschen auffällt und wie sie etwas bewerten, hat etwas mit Macht und Machtverhältnissen zu tun."
"Das gesamte Publikum lachte mich aus.
Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich bewusst Scham empfunden habe. "Jungen tun so etwas nicht", sagten meine Klassenkamerad* innen. Ich konnte nicht verstehen, wie etwas, dass mir so viel Freude bereitete, von anderen so abgewertet werden konnte.
Jungen tun was genau nicht? Tanzen, fühlen, Purzelbäume schlagen?
Was Geschlecht bedeutete, lernte ich über Scham. Auf ganz unterschiedliche Art und Weise war beides für mich untrennbar miteinander verbunden."
"Wir sind gleichzeitig zu viel und niemals genug. Das Problem sind immer wir. Doch vielleicht sind wir das gar nicht Strich. Vielleicht ist das ganze Geschlechtersystem das Problem. Welchen Definitionen glauben wir überhaupt? Die binäre Geschlechterordnung ist so angelegt, dass wir alle zwangsläufig daran scheitern."
"Wir wünschen uns eine Welt, in der alle Menschen, ungeachtet ihre Erscheinung, mit Würde und Respekt behandelt werden - eine Welt, in der dieser Faktor keinen Einfluss auf die Sicherheit, Arbeitschancen und Möglichkeiten im Leben hat. Wir wünschen uns eine Welt, die die Vielseitigkeit von allen und allem zu schätzen weiß - eine Welt, in der Veränderungen nicht unterdrückt, sondern gefeiert werden. Wir wünschen uns eine Welt, in der Menschen eine Bedeutung haben, die völlig losgelöst von ihrer Geschlechtsidentität ist."