Die Biographie über die größte Band der Welt
Wohl keine andere Band hat den (Alb-)Traum »Rock-Star« so intensiv gelebt: Mit über 300 Millionen verkauften Alben prägte Led Zeppelin Jahrzehnte der Rockgeschichte. Von ihrem ersten Album an zeigten die vier Musiker, dass sie etwas Besonderes sind: eine Kollision aus großartigen künstlerischen Fähigkeiten und brutaler Kraft, englischer Folk Music und erdigem amerikanischem Blues. Doch wirft Spitz ebenso ein schonungsloses Licht auf die Szene hinter den Kulissen und trennt geschickt zwischen Mythos und Realität.
Das Buch bietet eine verstörend-ehrliche Darstellung der Band und ihrer Zeit, auf die Fans schon lange gewartet haben: Das ist die Biographie.
»Das Buch ist gespickt mit musikalischen Anspielungen, die Spitz so eindringlich beschreibt, wie man Musik nur beschreiben kann. «
Washington Post
Besprechung vom 15.02.2025
Spätrömisches Benehmen stand auf der Tagesordnung
Während ihrer Tour durch die Vereinigten Staaten waren sie eine wandernde Orgie, im Studio hingegen ein geniales Quartett, bei dem es von Beginn an funkte: Bob Spitz legt die bisher beste und ausführlichste Biographie über Led Zeppelin vor.
Im Jahr 1980 starben Bon Scott, Sänger von AC/DC, und John Bonham, Schlagzeuger von Led Zeppelin, den Alkoholtod. Zweifellos ist ein Frontmann schwerer zu ersetzen als ein Drummer; die meisten Bands überstehen das nicht. Bei AC/DC aber galt: Kann keine Trauer sein. Schon wenige Monate später kehrten die Brüder Young mit neuem Sänger und dem erfolgreichsten Hardrockalbum aller Zeiten ("Back in Black") zurück.
Bei Led Zeppelin klopften die besten Drummer der Welt an, für die Band war aber klar, dass es nach dem "Verlust unseres lieben Freundes", wie es in einer Pressemitteilung hieß, nicht mehr weitergehen durfte. "Die Band existierte nicht mehr ab der Minute, wo uns Bonzo für immer verlassen hatte", meinte Robert Plant. Jimmy Page empfand allein den Gedanken an einen anderen Schlagzeuger als "Beleidigung für John". Bis heute hätten sich mit einer Reunion riesige Summen verdienen lassen. Es kam nicht infrage.
Aber waren sie wirklich ein solches Quartett eingeschworener Freunde? Daran kann man nach der Lektüre der großen Band-Biographie von Bob Spitz, die noch einmal einige hundert Seiten dicker ist als Mick Walls bisheriges Standardwerk "When Giants Walked the Earth" (2008), doch erhebliche Zweifel haben. Freundschaft spielte schon bei der Entstehung von Led Zeppelin keine Rolle. Die Band war ein Projekt von Jimmy Page, der die passenden Könner zusammencastete. Musikalisch funkte es schon bei der allerersten Probe im Jahr 1968. Sofort war klar, dass hier etwas Gewaltiges, bislang nicht Dagewesenes entstand.
Was hatte darüber hinaus der unauffällige Bassist und Keyboarder John Paul Jones mit dem Berserker Bonham zu schaffen? Auch der neunzehnjährige Robert Plant fremdelte anfangs mit dem routinierten Studiomusiker und Yardbirds-Gitarristen Jimmy Page, der Plant beim Provinzauftritt mit einer obskuren Band mit dem Blick eines Scouts beobachtet hatte und kaum glauben konnte, dass ein solches Talent noch nicht von einem großen Act unter Vertrag genommen worden war. Also holte er das so schnell wie möglich nach. Plant war ein Sänger, der seine Stimme wie ein Instrument benutzte und eine raubkatzenhafte sexuelle Energie verströmte.
Sexuelle Energie bestimmte die Songs und die Auftritte dieser in kurzer Zeit weltberühmtesten Band, über deren Lautstärke (oder eher Konkurrenz) sich sogar Keith Richards beschwerte. Led Zeppelin hatte einen besonderen Ruf für "Ausgelassenheit", wie Bob Spitz es nennt, keine andere Band übertraf sie im "spätrömischen Benehmen". Vor allem auf den Nordamerika-Tourneen, fernab von den Ehefrauen in England, war die Band eine wandernde Orgie. Es war die Zeit, als eine Vierzehnjährige Jimmy Page versichern konnte, sie sei keine Jungfrau mehr, weil sie vor einem Jahr doch schon mit David Bowie geschlafen habe.
Die jugendlichen Mädchen drängten sich den Musikern ebenso auf wie die Überfülle der Drogen, und alle im Zeppelin-Team nutzten das aus bis zum Überdruss. Bob Spitz spart die Details der "sinnlosen Exzesse" nicht aus, auch wenn sein Ton eher auf Verwunderung über die damaligen Konventionen als auf Empörung gestimmt ist: "Niemand verschwendete einen Gedanken daran, ob diese Mädchen minderjährig waren."
Zur Band gehörten auch ungut schillernde Figuren wie der Manager Peter Grant, ein Zweihundert-Kilo-Mann und gelernter Catcher. Raubkopierern oder missliebigen Journalisten begegnete er mit den Mitteln der Einschüchterung und Gewalt. Zunehmend ähnelte er einem Mafia-Boss. Jimmy Page wiederum gefiel sich als Verehrer des Okkultisten Aleister Crowley und erwarb sogar dessen Landhaus. Eher an Jekyll und Hyde orientierte sich John Bonham. Zuhause war "Bonzo" ein Familienmensch; auf Tour, vollgepumpt mit Unmengen Alkohol und Kokain, wurde er zur "Bestie". Regelmäßig kippte bei ihm der Hedonismus ins Psychopathische. Er zertrümmerte eine Hotelsuite nach der anderen, warf Fernseher und Klaviere aus höheren Stockwerken und verprügelte alle, deren Blick ihm nicht gefiel. Einmal schlug er gemeinsam mit dem Tourmanager, Drogenbeschaffer und Groupievermittler Richard Cole ohne Grund einen Mann zusammen und warf dann Geld auf den am Boden Liegenden. Sollte heißen: Man konnte sich das "leisten".
Gleichwohl spielt das Musikalische bei Bob Spitz die Hauptrolle. Detailliert erzählt er von der Entstehung der Lieder und Alben, es gelingt ihm, das Zusammenwirken der vier Musiker zu vergegenwärtigen, ihren Enthusiasmus, wenn ihnen Wunderwerke wie "Stairway to Heaven", "Ten Years Gone" oder das mächtige "Kashmir" gelangen. Immer wieder unterbricht man die Lektüre, um die Details nachzuhören, die Spitz beschreibt - etwa den Vergleich zwischen der Yardbirds-Fassung des Psycho-Blues "Dazed and Confused" mit der von Led Zeppelin eingespielten Version ein Jahr später. Welch einen Zugewinn brachte die schneidende Stimme Robert Plants!
Das erste Viertel des Buches widmet sich der Vorgeschichte der Band in den Sechzigern und berichtet von Jimmy Pages Lehr- und Wanderjahren in der Blues-Szene des Swinging London. Wir erfahren, wie Robert Plants jugendliche Rock'n'Roll-Gesangsübungen im Elternhaus auf wenig Gegenliebe stießen und wie sich John Paul Jones' Begeisterung für den Bass am Spiel von James Jamerson entzündete. Page und der Multiinstrumentalist Jones waren viel gefragte Studiomusiker und Arrangeure, beteiligt an Hunderten Aufnahmen und Hits berühmter Interpreten, bis sie keine Lust mehr auf solche Dienstleistungen hatten und endlich selbst groß herauskommen wollten.
Spitz überrascht nicht mit neuen Einsichten oder Quellen, aber wie in seiner Beatles-Biographie hat er das reichlich vorhandene Material zur bisher besten und ausführlichsten Gesamtdarstellung der Band synthetisiert. Sie ist nicht aus der Haltung eines Fans heraus geschrieben, sondern stellt auch die Abgründe des Rockbusiness und die Fehlleistungen von Led Zeppelin heraus. Anders als bei Mick Walls "Giganten"-Buch wurde auch mehr Mühe auf die deutsche Fassung verwendet. Der Sänger und Autor Heinz Rudolf Kunze, musikalisch sozialisiert mit Prog und Rock der frühen Siebziger, hat ein halbes Jahr an der Übersetzung gearbeitet, die ihm denn auch flüssig gelungen ist. Keine Kleinigkeit, denn Spitz pflegt keinen trockenen Stil, sondern bedient sich vieler erzählerischer Techniken wie der erlebten Rede; oft schreibt er dialogisch und szenisch.
Die chronikhafte Gründlichkeit des Buches bekommt gegen Ende allerdings etwas Redundantes, wenn buchstäblich jedes Konzert der Band abgehandelt und mitgeteilt wird, ob sie eine hochenergetische Show ablieferten oder - wie immer öfter - unter ihren Möglichkeiten blieben. Robert Plant wurde nach einem Autounfall und dem Tod seines Sohnes immer philosophischer, bei Jimmy Page führte die Drogensucht zu teils grotesken Darbietungen. Der Tiefpunkt aber kam fünf Jahre nach der Auflösung der Band beim Live-Aid-Auftritt von 1985, den das letzte Kapitel schildert. Man hatte nur eine Stunde geprobt, die Gitarre war verstimmt, und der Ersatzdrummer Phil Collins bekam den vertrackten Groove des Songs "Rock And Roll" nicht richtig hin. Als wollte er beweisen, dass es ohne John Bonham eben doch nicht ging. WOLFGANG SCHNEIDER
Bob Spitz: "Led Zeppelin". Die Biographie.
Aus dem Englischen von Heinz Rudolf Kunze. Reclam Verlag, Stuttgart 2014. 798 S., Abb., geb.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.Es wurden noch keine Bewertungen abgegeben. Schreiben Sie die erste Bewertung zu "Led Zeppelin" und helfen Sie damit anderen bei der Kaufentscheidung.