Berchtesgaden ist nicht nur eine wunderschöne Stadt in den Alpen, sondern der Obersalzberg wurde in den 30er Jahren sukzessive zum Führersperrgebiet und damit nahezu zweiten Regierungssitz ausgebaut. Bei der Einnahme der Alliierten nahm Berchtesgaden daher eine besondere Rolle ein. Und so treffen im Roman zunächst französische und amerikanische Truppen aufeinander und diese dann wiederum auf verschiedene Dorfbewohner. Frank, ein nach Amerika ausgewanderter Jude, Sam, ein farbiger US-Soldat, Meg, eine amerikanische Fotografin - auf der anderen Seite sind Sophie und ihre Familie sowie Rudolf Kriss, ein aus Nazihaft entlassener Gegner des Regimes. Zunächst in losen Enden erzählt, treffen die Schicksale im Verlauf aufeinander. Sophie arbeitet als Übersetzerin bei den Amerikanern und auch für alle anderen beginnt ein Leben nach dem Krieg. Viele Fragen sind offen, nicht alle werden gestellt. Jeder geht anders damit um, und auch das neue Ziel der Demokratie nehmen die Bewohner unterschiedlich auf.
Carolin Otto nimmt uns hier mit in ein Berchtesgaden, welches kapitulierte und von den Amerikanern besetzt wurde. Geschickt verbindet sie geschichtliche Fakten mit einer Rahmenhandlung, die Geschichte greifbar macht. Es ist keine gefühlvolle und emotionale Geschichte, sondern eine relativ sachliche Geschichte, die gerade deshalb unter die Haut geht. Sie nennt barbarische Verbrechen einfach beim Namen und lässt in Sophie eine moderne junge Frau entstehen, die kritisch hinterfragt und sich eine eigene Meinung bildet. Stellenweise fließt Dialekt ein, z. B. beim Sopherl oder der Brezn. Dies macht die Handlung umso authentischer. Durch gezielte Gegensätze erfährt die Handlung noch mehr Tiefe: der jüdische Amerikaner, der den Deutschen nun Befehle erteilt und der schwarze Soldat, der daheim noch der Rassentrennung unterliegt und in Deutschland plötzlich mehr Freiheiten hat. Ein absolut fesselnder Roman, der trotz der gewissen Sachlichkeit berührt.