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Kleine Dinge wie diese

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Wer etwas auf sich hält in New Ross, County Wicklow, und es sich leisten kann, lässt seine Wäsche im Kloster waschen. Doch was sich dort hinter den glänzenden Fenstern und dicken Mauern ereignet, will in der Kleinstadt niemand so genau wissen. Denn es gibt Gerüchte. Dass es moralisch fragwürdige Mädchen sind, die zur Buße Schmutzflecken aus den Laken waschen. Dass sie von früh bis spät arbeiten müssen und daran zugrunde gehen. Dass ihre neugeborenen Babys ins Ausland verkauft werden. Der Kohlenhändler Billy Furlong hat kein Interesse an Klatsch und Tratsch. Es sind harte Zeiten in Irland 1985, er hat Frau und fünf Töchter zu versorgen, und die Nonnen zahlen pünktlich. Eines Morgens ist Billy zu früh dran mit seiner Auslieferung. Und macht im Kohlenschuppen des Klosters eine Entdeckung, die ihn zutiefst verstört. Er muss eine Entscheidung treffen: als Familienvater, als Christ, als Mensch. Mit wenigen Worten erschafft Claire Keegan eine ganze Welt. Auf unnachahmliche Weise erzählt Kleine Dinge wie diese von Komplizenschaft und Mitschuld, davon, wie Menschen das Grauen in ihrer Mitte ignorieren, um in ihrem Alltag fortfahren zu können - davon, dass es möglich ist, das Richtige zu tun.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
05. April 2024
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
112
Autor/Autorin
Claire Keegan
Übersetzung
Hans-Christian Oeser
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
242 g
Größe (L/B/H)
212/130/15 mm
Sonstiges
Mit Lesebändchen
ISBN
9783969990650

Portrait

Claire Keegan

Claire Keegan, geboren 1968, wuchs auf einer Farm in der irischen Grafschaft Wicklow auf. Sie hat in New Orleans, Cardiff und Dublin studiert. Im Steidl Verlag sind von der vielfach ausgezeichneten Autorin bereits die Erzählungsbände Wo das Wasser am tiefsten ist und Durch die blauen Felder (in einem Band: Liebe im hohen Gras, 2017) erschienen. Das dritte Licht (2013) wurde mit dem renommierten Davy Byrnes Award ausgezeichnet, und gehört für die englische Times zu den 50 wichtigsten Romanen des 21. Jahrhunderts. Claire Keegan lebt in Irland und unterrichtet zurzeit an der Universität Cambridge.

Pressestimmen

»Ein optimistisches Buch, letztendlich. Claire Keegan findet einen subtilen und eleganten Weg, um auf engem Raum sowohl die Verdrängungsmechanismen als auch einen inneren Erkenntnisprozess sichtbar zu machen« SWR Bestenliste

»Kleine Dinge wie diese ist ein Buch zum zweimal Lesen, ein Herzensding, was man nicht mehr missen möchte.« Cornelia Geißler, Berliner Zeitung

»Eine ganz berührende, kraftvolle Sprache, die dieses Buch wertvoll und sehr wichtig zum Lesen macht.« Usama Al Shahmani, Buchtipps Literaturclub, Schweizer Rundfunk

»Dass die Autorin in Kleine Dinge wie diese nicht das große Unrecht, sondern die nur scheinbar partikularen Gewissensnöte ihres anständigen Helden in den Mittelpunkt stellt, ermöglicht ihr eine undramatische Darstellung ohne jede Elendsfolklore.« Julia Schröder, Büchermarkt, Deutschlandfunk

»Keegans eindrucksvoller Roman schlägt eine schmale aber deutliche Schneise der Hoffnung in die Macht erbarmungsloser Verhältnisse.« Bernadette Conrad, SRF2 Kultur Kompakt

Besprechung vom 15.09.2022

Was aber hätte getan werden können
Claire Keegan erkundet in "Kleine Dinge wie diese", woher der Mut zum Widerstand kommt

Vier Bücher in zweiundzwanzig Jahren und ein Ruf wie Donnerhall in der angelsächsischen Literaturwelt. Claire Keegan, 1968 im County Wicklow zur Welt gekommen als Tochter einer katholischen Bauernfamilie mit sechs Kindern, macht sich rar, und sie verschwendet keine Worte. Im Alter von siebzehn Jahren zieht sie zum Studium von Literatur und Politik nach New Orleans, dann weiter nach Wales. 1999 ist der erste Band mit Kurzgeschichten fertig, auf "Antarctica" folgt "Walk The Blue Fields" (2008). Den Lebensunterhalt verdient sich Keegan einige Jahre als Lehrerin für kreatives Schreiben in Cambridge, heute lebt sie im Westen Irlands.

Familie ist ein großes Thema bei Claire Keegan. 2010 erschien "Foster" (deutsch "Das dritte Licht", wie auch die Vorgängerbände bei Steidl), fünfundachtzig luftige Druckseiten: die Geschichte eines Mädchens, das von seinem Vater zu einem kinderlosen Ehepaar gebracht wird, weil schon wieder ein Kind unterwegs ist und man so ein hungriges Mäulchen weniger zu stopfen hat. 2021 folgte der lange erwartete Band "Small Things Like These", und wieder kam sogleich die Frage auf, womit man es zu tun habe - einer längeren Erzählung, einer Novelle, einem Roman? Knapp hundertzehn Seiten, und doch ist alles angelegt, was ein großes Buch braucht: Zeitlosigkeit, die Aura von Klassizität, kein Wort zu viel, und doch ausreichend Fett, um, wie Keegan in einem Interview verriet, als gutes Stück Fleisch gelten zu können.

New Ross, eine Kleinstadt im Südosten Irlands anno 1985. Es steht nicht gut um die Insel, hohe Arbeitslosigkeit, die Wirtschaft auf Talfahrt, die Jugend emigriert einmal mehr. Die Werft hat schon dichtgemacht, die Düngemittelfabrik schlingert, Läden schließen, Häuser bleiben kalt. Inmitten dieser von katholischer Tradition grundierten Misere ein hart arbeitender Kohlen- und Holzhändler namens Bill Furlong. Verheiratet, fünf Töchter, er geht auf die Vierzig zu und ahnt, wie schnell sich sein bescheidener Wohlstand in Luft auflösen könnte. Weihnachten steht vor der Tür, und trotz der Rituale ist die Depression zum Greifen nah. "Es war ein Dezember der Krähen."

Da ist etwas in Furlongs Vergangenheit, das ihn von anderen unterscheidet. Seine Mutter war sechzehn, als sie mit ihm schwanger ging. Ihre Eltern wiesen ihr die Tür, die wohlhabende protestantische Witwe Mrs. Wilson ermöglichte es ihrem Hausmädchen, samt Baby im großen Haus außerhalb der Stadt zu leben. Später kümmerte sich die kinderlose Mrs. Wilson um Bills Ausbildung, half ihm, eine Firma aufzubauen. Wer sein Vater ist, hat er nie herausgefunden.

Als er eine Lieferung Kohle im Schuppen des Klosters über der Stadt ablädt, findet er dort eine verwirrte, verängstigte junge Frau, die Brüste voller Muttermilch. Man habe ihr den Sohn genommen, stößt sie hervor, ob er sie mitnehmen könne, fortbringen von diesem Ort. Die Mutter Oberin spielt die Fürsorgliche, beschwichtigt den verstörten Lieferanten und schickt ihn mit einem fetten Trinkgeld weg. Die Geschichte will ihm aber nicht aus dem Kopf gehen. Es sind Frauen, seine eigene und eine Wirtin, die ihn warnen, sich nicht mit den Ordensschwestern anzulegen, die hätten ihre Finger überall im Spiel.

Die Nonnen, die gefallene Mädchen umerziehen, sie zur Arbeit zwingen, ihnen die Kinder wegnehmen - sie waschen nicht nur Wäsche für die besseren Kreise, sie verkaufen auch Neugeborene ins Ausland, erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand. Die Geschichte der sogenannten Magdalenen-Wäschereien ist ein grausames Kapitel in der Geschichte Irlands, eines, in dem Kirche und Staat Hand in Hand arbeiteten. Zweihundert Jahre existierte dieses Zwangssystem, die letzte Wäscherei schloss erst 1996. Die Forschung schätzt heute die Zahl der missbrauchten jungen Frauen auf dreißigtausend, die der toten Babys auf neuntausend. Offiziell entschuldigt hat sich Irland erst 2013.

Aber Keegan geht es nicht vordergründig um eine Abrechnung mit Kirche und Staat, der Horror der Wäschereien läuft eher im Hintergrund mit. Die Autorin konzentriert sich auf Herz und Hirn ihres Protagonisten. Der fragt sich, wie sinnvoll es ist, "ein ganzes Leben weiterzumachen, ohne wenigstens einmal den Mut aufzubringen, gegen die Gegebenheiten anzugehen, und sich dennoch Christ zu nennen und sich im Spiegel anzuschauen". Anders als die meisten Kinder, die man früher nicht so wichtig nahm wie heute, hat Furlong bei Mrs. Wilson so etwas wie Liebe erlebt. Was ihn zu der Überlegung führt, ob es "einen Sinn hatte, am Leben zu sein, wenn man einander nicht half". Am Ende wird er eine Entscheidung treffen.

"Kleine Dinge wie diese" ist keine Gutmenschen-Fabel, sondern ein berührendes Lehrstück über Mut, der sich aus Empathie speist. Ein glänzend gearbeitetes Stück Literatur, die Übersetzung von Hans-Christian Oeser trifft Keegans trügerisch einfachen Klang. Vielleicht klappt es diesmal mit dem Booker-Preis für Claire Keegan; auf die Shortlist hat es das Buch geschafft, und am 17. Oktober wissen wir mehr. Es wäre eine vortreffliche Wahl. HANNES HINTERMEIER

Claire Keegan: "Kleine Dinge wie diese". Roman.

Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag, Göttingen, 2022. 109 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon sollhaben am 27.12.2024
Kurz, prägnant und voller Einfühlungsvermögen. Wie immer bei Claire Keegan
LovelyBooks-BewertungVon alasca am 05.12.2024
Dicht, mit zeitlos Dickensschem Touch und großer Zärtlichkeit für optimistische Träumer, die versuchen, das Richtige zu tun.