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Die jungen Bestien

Ein Krimi aus dem Piemont

(5 Bewertungen)15
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Buch (gebunden)
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Ein neuer Kriminalfall aus Piemont, in dem der schweigsame Bergkauz und heimliche Menschenkenner Corso Bramard ermittelt: Bei dem Bau einer Bahnschnellstrecke zwischen Mailand und Turin werden die Überreste von zwölf Leichen gefunden, und eine Spur führt in die Zeit des italienischen Terrorismus, der Brigate Rosse.
Im Turiner Herbst 1977 hatten ein paar Jugendliche den Parteisitz der rechten MSI in Brand gesetzt. Dabei war ein Mann ums Leben gekommen, der sich nachts in den Räumen aufhielt. Wussten die Jugendlichen, dass ein Mensch im Gebäude war? War alles nur ein Spiel der jungen Leute, in jenen aufgeheizten Zeiten, oder wollten sie wirklich einen Mord begehen? Niemand kennt die Antwort, die Jugendlichen sind seitdem spurlos verschwunden.
Fast vierzig Jahre später suchen zwei Kommissare und ihr ehemaliger Kollege Corso Bramard nach einer Verbindung zu jenem Fall. Die Drei geraten in einen schier unbezwingbaren Strudel aus italienischer omertà und Lüge. Und doch nähern sie sich beharrlich einer Wahrheit, die von der Politik unter den Teppich gekehrt wurde.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
28. Januar 2020
Sprache
deutsch
Auflage
1. Auflage
Seitenanzahl
416
Reihe
Bramard und Arcadipane ermitteln, 2
Autor/Autorin
Davide Longo
Übersetzung
Barbara Kleiner
Verlag/Hersteller
Originalsprache
italienisch
Produktart
gebunden
Gewicht
495 g
Größe (L/B/H)
208/128/38 mm
ISBN
9783498039462

Portrait

Davide Longo

Davide Longo


, 1971 in Carmagnola im Piemont geboren, lebt in Turin, wo er am Literaturinstitut Scuola Holden unterrichtet. Er schreibt Prosa, Hörspiele und Drehbu cher und wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Premio Grinzane Cavour, dem Prix Le Point


für den besten europäischen Kriminalroman 2024 und dem Premio Via Po. Aus seiner international gefeierten Krimireihe aus dem Piemont erschienen bisher: «Der Fall Bramard», «Die jungen Bestien», «Schlichte Wut» sowie «Am Samstag wird abgerechnet».

Barbara Kleiner


, geboren 1952, lebt in München. Übersetzerin u. a. von Primo Levi, Ippolito Nievo, Italo Svevo, Paolo Giordano, Davide Longo; ausgezeichnet mit dem Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW, dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis und dem Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung.


Pressestimmen

Longo ist schon lange kein Geheimtipp mehr, Longo ist einUnikat, ein literarisches Juwel! Andreas Wallenthin, WDR 5

Ein Kriminalfall im Piemont führt zurück in die jüngere Zeitgeschichte Italiens und macht dabei den gegenwärtigen, rätselhaft niederschmetternden Zustand des Landes erklärlich. Brigitte Werneburg, taz

Stimmungsvoll und herausfordernd. HÖRZU

Longo gelingt eine facettenreiche, dunkle Geschichte. Er scheint ganz bei sich selbst angekommen zu sein, denn hier passt alles. Frank Rumpel, SWR 2 "Lesenswert"

Das unbedingte Suchen nach der präzisen Beschreibung jenseits hinlänglich bekannter Metaphern ist das Mittel, mit dem Longo eine enorme psychologische Komplexität erschafft. Und so entwickelt sein Roman einen mächtigen Sog . . . Marcus Müntefering, Spiegel Online

Vordergru ndig erneut ein Krimi. Hintergru ndig ein Porträtitalienischer Gesellschaftsgeschichte. Christian Mückl, Nürnberger Zeitung

Der Rhythmus stimmt, es gibt charakteristische Nebenfiguren, die Verknüpfungen sind überraschend und halten die Leserin bei der Stange. Maike Albath, Süddeutsche Zeitung

Immer wieder gelingt es dem 1971 geborenen Longo, einem der wichtigsten Autoren seines Landes, auch den gegenwärtigen Zustand Italiens in den Blick zu nehmen. Philipp Haibach, Rolling Stone

Endlich bricht ein Schriftsteller mit der allgemeinen Kulturglobalisierung und wagt etwas Neues. Maike Albath, Deutschlandfunk Kultur

Diese Figuren werfen ein gleißendes Licht auf so manchen langen Schatten unserer Geschichte. Corriere della sera

Einem der spannendsten italienischen Schriftsteller ist hier viel mehr - aber nie weniger als ein Krimi gelungen: anspruchsvoll, intelligent, einnehmend. FAZ. NET

Besprechung vom 06.04.2020

Linker Terror, rechter Terror

Ein Massengrab an der Bahnschnellstrecke Mailand-Turin führt in Davide Longos neuem Roman direkt in die bleiernen Jahre Italiens.

In Italien ende vieles im Lächerlichen, sagt einmal eine Figur in "Die jungen Bestien". Ganz anders sei das als in Spanien, wo es einen Sinn für die Tragödie immer schon gegeben habe, für mit Fassung ertragenen Schmerz. Zumindest auf die Werke italienischer Krimiautoren angewandt, scheint dieser Befund nicht danebenzuliegen: Davide Longo gibt ebenso wie sein Landsmann Paolo Roversi mit offensichtlichem Vergnügen seine Figuren der Lächerlichkeit preis oder kehrt zumindest deren Unzulänglichkeiten mitleidlos hervor. Das Leiden an den eigenen Lastern, am Altern, am Sinn der Arbeit und des Daseins im Allgemeinen, die Krise der individuellen Männlichkeit machen sie zum Teil einer umfassenden gesellschaftlichen Symptomatik. Ein Überbleibsel der mittelalterlichen Burlesken von Dante und Boccaccio?

Vincenzo Arcadipane, der Protagonist von Davide Longos neuem Roman "Die jungen Bestien", ist jedenfalls genau so ein armes Würstchen. Ein im Grunde recht fähiger Kommissar in der Midlife-Crisis, der seine Weinkrämpfe mit Lakritzbonbons bekämpft, Potenzprobleme hat und sich, um stets jemanden in der Nähe zu wissen, der ein noch jämmerlicheres Bild abgibt als er selbst, einen dreibeinigen Köter zulegt. Arcadipane ist ein alter Bekannter, schon in "Der Fall Bramard" ermittelte er an der Seite seines ehemaligen Vorgesetzten Corso Bramard. Bereits seit seinem 2013 erschienenen Debütroman "Der aufrechte Mann" spielt Davide Longo, der in Turin an der Schreibschule Scuola Holden unterrichtet, mit Versatzstücken des Kriminalromans und lässt sich mit jedem neuen Buch mehr auf das Genre ein.

So beginnt "Die jungen Bestien" mit dem Fund eines Massengrabes: Zwölf Skelette liegen auf der Baustelle einer Bahntrasse zwischen Mailand und Turin und werden von den zuständigen Behörden ein wenig zu routiniert als Überreste aus dem Zweiten Weltkrieg abgestempelt. Arcadipanes eigene Ermittlungen hingegen weisen auf die sogenannten bleiernen Jahre, die siebziger Jahre, als Italien im Zeichen des Terrors lebte. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, wie viele der Terroranschläge, die man damals linksextremen Gruppierungen wie der Brigate Rosse anhängte, tatsächlich von Neofaschisten und Geheimdiensten begangen wurden, um die Linke zu diskreditieren.

Was die Ermittlungen im Buch zutage bringen werden, kann man sich also schon im Groben ausrechnen - die Frage ist das Wie. Davide Longo erstreckt seine Erzählung über mehrere Zeitebenen: Arcadipane ermittelt in der Jetztzeit, Bramard in den Siebzigern. Dieser zweite Teil beinhaltet die stärksten Passagen des Buches, da ist Longo ganz konzentriert auf die Arbeit des Schnüfflers, der als verdeckter Ermittler in einen Boxclub eintritt und sich dort erst einmal gehörig verdreschen lässt, bis man den Empathieschmerz heftig hinterm linken Auge pochen hört.

Diese körperliche Intensität tut der Geschichte gut, ebenso wie die Angewohnheit des Schriftstellers, das reiche historische Wissen, über das er verfügt, auch bei seinen Lesern vorauszusetzen. Wer, wie vermutlich viele nachgeborene Leserinnen und Leser, dieses Wissen nicht hat, ist gut beraten, diesen Geschichten nachzuspüren - etwa jener Tragödie um den sechsjährigen Alfredo Rampi, der 1981 unter den Augen der Öffentlichkeit in einem Brunnen bei Vermicino starb. Sie schafft ein Gefühl für die Tränenschwere dieser Jahre, die der Roman allein über weite Strecken nicht vermitteln kann.

Obwohl Longos Sprache gewitzt ist und so flott, dass es anfangs schwerfällt in Dialogpassagen den Überblick zu behalten. Immer wieder nutzt er seine sprachliche Gewandtheit, um etwa die Weltwahrnehmung seiner Protagonisten gegeneinander abzugleichen. Sie stehen nicht einfach nur vor einem Schrank, es ist ein Schrank aus Kirschholz für Bramard und aus rötlichem Holz für Arcadipane. Weil nun einmal niemand über die Grenzen seines eigenen Horizontes hinausblicken kann, tut es der Autor mit bisweilen herablassender Geste als Stellvertreter seiner Figuren - und verlegt dadurch den Fokus immer mehr auf das psychologische Drama.

Und das handelt von Arcadipanes im Kern doch ziemlich mittelmäßigem Seelenschmerz, den er in Therapiesitzungen mit einer enigmatischen Therapeutin zu ergründen versucht. Dem piemontesischen Autor kann man natürlich nicht vorwerfen, dass die Lektüre seines 2018 im Original erschienen Romans "Così giocano le bestie giovani" in diesen Tagen unweigerlich an die tatsächlichen Ausmaße der italienischen Tragödie denken lässt. Aber die reale politische Geschichte spielt eben mit hinein: Die desolate Situation in norditalienischen Krankenhäusern ist auch ein Resultat defizitärer Verwaltungsapparate und korrupter Politiker.

Das alles sind Versäumnisse, die eine schärfere Kritik, einen politisch wacheren Kriminalroman nötig hätten als die hier vorliegende halbgare Commedia dell'Arte mit Figurenklischees - ein mittelalter Kommissar, eine Computerkennerin mit Piercings und eine Psychotherapeutin mit Methoden wie aus einer schlüpfrigen Phantasie wirken tatsächlich vor allem lächerlich.

KATRIN DOERKSEN

Davide Longo: "Die jungen Bestien". Bramard. Kriminalroman.

Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner und Friederike von Criegern. Rowohlt Verlag, Hamburg 2020.

416 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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