Mit Trophäe liefert Gaea Schoeters einen vielschichtigen, provokanten Roman, der durch Radikalität und moralische Tiefgründigkeit wie auch durch literarisches Können beeindruckt. Es ist ein Werk, das nicht nur die Dynamik zwischen Mensch und Natur, sondern auch die dunklen Facetten von Macht, Gewalt und Privilegien seziert und dabei einen schonungslosen Blick auf den postkolonialen Umgang Europas mit Afrika wirft.
Die Handlung des Romans kreist um Hunter White, einen durch Börsenspekulationen reich gewordenen US-Amerikaner, der sich auf eine exklusive Jagdreise nach Afrika begibt. (Der übertrieben plakative sprechende Name sei verziehen, wird er doch im Verlauf der Story erklärt.) Doch was zunächst wie eine klassische Geschichte über archaische Rituale und Abenteuer wirkt, entpuppt sich bald als ein komplexes Netz aus Machtspielen und moralischen Dilemmata. Gaea Schoeters nutzt die Jagd als symbolisches und reales Setting, um die Beziehungen zwischen den Figuren, aber auch die postkolonialen Spannungen zwischen Europa und Afrika zu beleuchten.
Schoeters zeigt die tief verwurzelten eurozentrischen Vorstellungen auf, die unser Bild von Afrika immer noch prägen. Afrika wird in der westlichen Wahrnehmung oft entweder als romantisierte Wildnis oder als Ort der Not und Unterentwicklung dargestellt beide Bilder verfehlen jedoch die Realität und entmündigen die Menschen vor Ort. Schoeters setzt sich entschieden gegen diese Klischees zur Wehr: Ihre Schilderungen der afrikanischen Landschaft und ihrer Bewohner sind von einer Klarheit und Authentizität, die weder idealisiert noch herabwürdigend wirken. Anders ist dies in den Gedanken Hunters: "... in einem Land wie diesem, wo die Anzahl der Schulterstreifen an der Uniform den Grad der Korruption kennzeichnet" sinniert er etwa. Und so betrügt er sich selbst, indem er wider besseres Wissen an die Trophäenjagd als funktionierende Form des Artenschutzes glaubt, statt darin ein perverses Reiche-Leute-Hobby zu sehen. Selbst dann noch, als die Jagd auf Menschen erweitert wird.
Die Dynamik zwischen den europäischen Jägern und den einheimischen Beteiligten ist ein zentraler Teil des Romans. Schoeters beschreibt subtil, wie tief die kolonialen Machtverhältnisse auch Jahrzehnte später noch in den Beziehungen zwischen den Kontinenten nachwirken. Die Europäer und US-Amerikaner kommen nach Afrika, um sich selbst zu beweisen sei es durch die Jagd oder durch das Erleben von "Ursprünglichkeit", die ihnen in ihrer eigenen Welt verloren gegangen ist. Doch sie begegnen den Einheimischen oft nicht auf Augenhöhe, sondern betrachten sie mit exotisierenden oder herablassenden Blicken.
Was Trophäe so besonders macht, ist jedoch, dass Schoeters keine Klischees bedient. Ihre afrikanischen Figuren sind keine Stereotype, sondern werden mit ebenso viel Sorgfalt und Tiefe gezeichnet wie die europäischen Protagonisten. Sie sind komplexe Charaktere mit eigenen Motivationen, Gedanken und Widersprüchen, die den Leser dazu zwingen, Vorurteile zu hinterfragen.
Schoeters zeichnet alle ihre Figuren Europäer wie Afrikaner mit einer Genauigkeit und psychologischen Tiefe, die beeindruckt. Die Figuren sind weder reine Helden noch einfache Antagonisten. Ihre Ambivalenzen machen sie lebendig und glaubwürdig. Besonders stark ist, wie die Autorin die Machtstrukturen innerhalb der Gruppe der Jäger selbst aufzeigt: Es geht um Dominanz, Egos und die ständige Suche nach Rechtfertigung für ihre Taten, sei es in der Jagd oder im Umgang mit den Menschen vor Ort. Die inneren Konflikte der Figuren und die scharfen Dialoge schaffen eine Spannung, die den Leser bis zur letzten Seite in Atem hält. Gleichzeitig verweigert Schoeters einfache Antworten oder Urteile, sondern fordert den Leser auf, sich selbst ein Bild zu machen eine Seltenheit in der heutigen Literatur.
Trophäe ist ein außergewöhnlicher Roman, der nicht nur durch seine literarische Qualität, sondern auch durch seinen moralischen und politischen Anspruch besticht. Gaea Schoeters dekonstruiert in ihrem Werk nicht nur den eurozentrischen Blick auf Afrika, sondern legt auch die Machtstrukturen und Privilegien offen, die diesen Blick prägen. Ihre Figuren sind keine eindimensionalen Stereotype, sondern komplexe Charaktere,. Es ist ein Roman, der sowohl verstört als auch inspiriert eine Geschichte, die lange nachklingt. Trophäe ist ein literarisches Meisterwerk, das Mut beweist und genau deshalb so bedeutsam ist. Wer Literatur sucht, die an den Kern menschlicher Abgründe geht und dabei große Fragen aufwirft, wird in diesem Buch eine unvergleichliche Leseerfahrung finden.